Sunday, December 10, 2006

Schreiber, lass das Zeichnen


Am Anfang scheint die Idee gut. Ich setze mich trotz 34 Grad aufs Sofa auf der Terrasse und zeichne Kakteen. Nicht dass ich zeichnen könnte, wie man unschwer erkennen kann. Aber weil meine Freunde Rainer und Lisa nächstes Wochenende in Düsseldorf heiraten werden und mir die Reise zum Ja-Wort etwas zu weit ist, will ich ihnen ein paar Zeichnungen von meinem Kaktusgarten zu schicken. Schliesslich haben sie den auf ihrer Verlobungsreise besonders bewundert. Aber die Zeichungen wollen nicht. Dass es so schwer sein kann, aufs Papier zu bringen, was man vor sich sieht, finde ich immer wieder verblüffend. Dabei muss man doch nur genau hinschauen. Welches Blatt ist zuvorderst beim Aloe Baum? Wie genau ist es angewachsen? Je länger ich schaue, desto weniger hilfts. Ein undefinierter Blätterhaufen herrscht da in der Mitte, ganz anders als beim Original. Verdammt. Von Licht und Schattenspielen nicht zu reden. Eigentlich sind die einen Blätter grün und die andern gelblich, die einen im Schatten, die andern in der Sonne. Bei mir enden sie alle gleich: grün-gelblich von Kunstlicht flach ausgeleuchtet. Wohlweislich habe ich mich für Aquarellfarbstifte entschieden. Da kann man am Ende die Unbeholfenheit des Strichs im Wasser ersaufen lassen und sich impressionistisch dabei vorkommen. Leider fühlt sich nun eine aufsässige Fliege von einer kleinen Lache in grün angezogen und lässt sich nieder. Ich verscheuche sie, aber sie kommt wieder. Und setzt sich mit ihren grünen Hintern in den Himmel. Also muss ich nochmals ein Blatt reinflicken, was der Gesamtkomposition auch nicht weiterhilft. Es wird wohl einen Grund geben, warum Schreiber schreiben und nicht zeichnen, denke ich, als ich die Zeichnungen zum Trocknen auslege und mir überlege, ob ich die nun schicken oder dem lieben Brautpaar wortreich schildern soll, wie ein Kojote über meinen Zaun gehüpft kam und die Zeichnungen gefressen hat.

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