Tuesday, February 27, 2007

Neunundzwanzig?


Für einmal verfolgen wir hier oben mit Spannung was sich da unten in Los Angeles tut. Sonst ist das nicht so unser Ding. Das Geld der Wochenend-Besucher aus Los Angeles nehmen wir zwar gern, aber beeinflussen lassen wir uns nicht. Nicht von denen. Wenn schon, dann ist das schon eher umgekehrt. Es sind die Angelenos, die eine Existenzkrise haben nach ein paar Tagen Wüste (wer bin ich, was mache ich, warum tue ich mir LA an, warum lebe ich nicht so zeitlos/verkehrslos wie die hier oben). Nach ein paar wilden Aussteigerträumen pendelt sich das wieder ein, denn die Palmen gesäumten Alleen von Los Angeles haben schliesslich auch ihr Gutes. Nun sind aber ebendiese aus der Mode geraten, und LA will seine Palmen langsam aber sicher loswerden. Zu teuer im Unterhalt seien sie, weil die Palmwedel entweder auf Strassen, Autos und Menschen fallen und/oder mühseligst heruntergeschnitten werden müssen. Beides kann teuer werden. Zuwenig Sauerstoff spendend seien sie obendrein im Vergleich mit andern Bäumen. Und heimisch seien sie hier schon gar nicht. Das stimmt. Die Palmen wurden in den Fünfziger Jahren lastwagenweise aus Mexico und Florida nach LA gekarrt, weil ein paar Landbarone entschieden hatten, Palmen stünden für einen relaxten Lifestyle und wären ihren Liegenschaftsgeschäften zuträglich. Heute müssen mehr Platanen her und Trauerweiden, und die Palmen haben nur noch an von Touristen besuchten Orten Daseinsberechtigung. Was, wenn diese neue Baummode zu uns hochschwappt? Unsere Palmen sind zwar “echt” und von hier. Und unsere abgestorbenen Palmwedel werden nicht runtergeschnitten. Sie sammeln sich an bis die Palmen aussehen, als würden sie dicke kurze Hosen tragen. Aber nun mal rein hypothetisch - wer wären wir denn ohne Palmen? Da gehts nicht mehr um eine Existenzkrise – das wäre Existenzverlust pur. Degradiert zu einer Nummer. Einer ungeraden noch dazu. Aber noch sind wir nicht LA. Noch lange nicht.

Tuesday, February 20, 2007

Mausefalle


Der Mensch im allgemeinen und der Stadtmensch im speziellen denkt ja erst mal an nichts Böses. Ein paar schwarze Körnchen auf der vorderen Veranda und ein paar in der Garage, die heute ein Studio ist. Dass es sich hier um mehr als Körnchen handelt, ist mir erstmals ein paar Monate nachdem ich in die Wüste gezogen bin aufgefallen. Als Notlösung (bis mir einer, irgendeiner, einen Swimming Pool kauft) habe ich in diesem ersten Sommer vor sechs Jahren ein aufblasbares Kinderbassin gekauft, mit farbigen Enten drauf und lustigen Fischen (ich sage ja, mir muss einer einen Swimming Pool kaufen). Nachdem ich das Bassin eine Woche lang in der Garage zwischengelagert habe, ist es weg. Nicht ganz, aber grosse Teile davon. Weggefressen. Guten Appetit. Ich hätte mir ja denken können, dass es hier Mäuse gibt und dass der Ausdruck “nun bist du eine richtige Wüstenmaus” nicht aus dem Nichts kommt (im Englischen übrigens “you are a desert rat”, was es auch nicht besser macht). Der Kampf ist eröffnet. Wer mein Bassin frisst, gehört ausgerottet. Ich erkundige mich bei Freunden und erfahre, der Urin von Kojoten schrecke Mäuse ab. Und Menschen, denke ich und sehe davon ab, mit einem Plastikbecken bewaffnet einem Kojoten nachzuschleichen, um das Nötige aufzufangen. Heute habe ich vier kleine Köderschachteln ums Haus stehen mit Mäusecrack drin. Wie wild seien die Mäuse auf das Gift, sagt der Mann, der sie einmal im Monat auffüllen kommt. Sterben tun die Mäuse dann netterweise weit weg vom Haus in der offenen Wüste. Das funktioniert. Leider passt aber in so ein Mäusehirn nicht, dass das Auto Tabu ist. Mäuse treiben ihr Unwesen gern in geschlossenen Räumen, darum haben hier draussen viele ihre Motorhauben offen stehen. Mein Freund Ron legt zudem noch einen Piepser rein, der alle paar Sekunden loslegt und dazu noch vibriert. Aber der hat auch einen Audi. Für meinen Pick-up Truck reicht der gähnende Schlund. Scheissmäuse.

Tuesday, February 13, 2007

Yes, Mad’m


Heute ist wieder einmal fernes Donnergrollen zu hören. Aber es ist nicht Donnergrollen – es ist Bombentraining: die Marines trainieren wieder. Alle paar Monate üben sich die Elitetruppen der USA für ein paar Tage hörbar im Wüstenkampf, hier weit ausserhalb Twentynine Palms auf der 900 Quadratmeilen grossen Basis inmitten der Mojave. Der Eingang zur Basis ist etwa 20 Meilen von meinem Haus entfernt; der Ort, wo sie tatsächlich im Sand rumrobben und mit Handgranaten und Grösserem um sich werfen, wahrscheinlich 40 bis 50 Meilen. Meist klingt das auch dementsprechend weit entfernt. Aber es ist schon mal vorgekommen, dass meine Fensterscheiben gezittert haben, weil sich eine Druckwelle dank den Bergen des Nationalparks hinter meinem Haus nicht optimal hat ausbreiten können. Seit mir ein Freund gesagt hat, man könne die Basis anrufen und seine Richtungswünsche durchgeben, mache ich das. Nicht in den wildesten Träumen, wär ich da von alleine draufgekommen, dass das funktioniert. Untertags haben junge Schnösel Telefondienst, die nicht wirklich was zu sagen haben. Aber gegen Abend erwischt man die höheren Chargen. “Mein Haus zittert”, sage ich dem netten Kommandanten. Alle, die Frischlinge wie die Kommandanten, fallen durch ausgesuchte Höflichkeit auf. “Und ich habe einen Riss im Verputz entdeckt”, dopple ich effektheischend nach, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass der Riss von einem kleinen Erdbeben stammt, grösser ist. “I’m sorry, Mad’m”, sagt der Kommandant. Und nachdem er sich detailliert hat beschreiben lassen, wo genau mein Haus steht, verspricht er, ins Feld anzurufen und Meldung zu erstatten. “OK, Mad’m?” “Yes, Sir. Thank you, Sir”, sage ich und stelle mir vor, wie der Kommandant ins Feld funkt, und dort einer wegen mir schwitzend die Raketen neu ausrichtet. Und obwohl ich da nicht wirklich dran glaube, wird das Donnergrollen bald darauf tatsächlich schwächer. Wahrscheinlich Zufall.

Tuesday, February 6, 2007

Help!


Tennis spielen in der Wüste gefällt mir. Auch wenn ich nicht Tennis spielen kann. Das einzige, was für mein Tennis spricht, ist die Tatsache, dass ich aus der gleichen Stadt wie Federer stamme. Und das scheint blöderweise nicht zu genügen. Damit kann man zwar ausserhalb des Platzes punkten – aber während einem Spiel hat mir das leider noch nie einen müden Punkt eingebracht. Im Gegenteil. Aufgrund der hohen Erwartungshaltung rüsten die Gegner umso mehr auf und ich – ich erspare Ihnen die Details. Hier oben ist nichts mit Clubmitgliedschaft, den besten Rackets und den neuesten Outfits. Die Tennisplätze in Twentynine Palms, Joshua Tree und Yucca Valley werden von den drei Gemeinden betrieben und für 25 Dollar kriegt man einen Schlüssel. Das ist ein einmaliger Beitrag – for life. Und in Sachen Ausrüstung – na ja, man könnte es auch Freak-Tennis nennen. Das ist nun allerdings nicht unbedingt mit der Qualität der Spieler zu verwechseln. Carson, ein Schriftsteller, hat sich ein paar Sommer lang auf Long Island als Tennislehrer seinen Lebensunterhalt verdient. Und Preston, ein Fotograf, ist mit einem Tennis Stipendium durchs College gegangen. Für einen Sommer haben sich die beiden auf Prestons Land sogar ihren eigenen Sandplatz flach gerecht und gewässert, mitten in der offenen Wüste. Beide spielen nicht nur unerträglich gut, sie sind auch äusserst nett und erbarmen sich meiner ab und zu. So auch Thom, ein befreundeter Künstler und Musiker, der glücklicherweise nicht ganz so gut ist, dafür aber umso lieber 30 Meilen vom andern Ende Twentynine Palms angefahren kommt, um mich schlecht aussehen zu lassen. Das kann so nicht weitergehen. Indian Wells ist nur etwa 60 Meilen entfernt von hier, lieber Herr Federer. Sie haben doch sonst nichts zu tun. Eine Lektion, eine einzige??? Ja? Das können Sie nicht auf sich sitzen lassen, dass ich hier Ihren Namen und Ihre Herkunft besudle.