Wednesday, August 27, 2008

Goldgrube


Ich weiss, ich hab an dieser Stelle schon einige Male über Palm Springs hergezogen. Im Speziellen über die vielen Golfplätze mit ihren wasserverschwendenden Rasen. Nun gibts von da unten endlich was Gutes zu berichten. Vor einer Weile hat eine der Nachbargemeinden - Palm Desert – beschlossen, seinem Namen Ehre zu machen und mit der Wässerei aufzuhören. Rasen raus, heimische Pflanzen wie Kakteen, Sukkulenten und andere Wüstenpflanzen rein. Doch mit der neugefundenen Selbstakzeptanz kamen neue Probleme. In den letzten sechs Monaten sind Pflanzen im Wert von über 20 000 Dollar gestohlen worden, und das allein auf öffentlichem Grund. Die Diebe machen auch vor Privatbesitz nicht Halt. Beute erster Klasse ist der Golden Barrel (im Bild). Je nach Grösse bringt so ein Ding zwischen 100 und 800 Dollar auf dem Schwarzmarkt, die ganz grossen mit einem Durchmesser von ca. 80 cm sogar 4500 Dollar. Golden Barrels haben wie die meisten Kakteen keine tiefen Wurzeln und können relativ einfach ausgebuddelt werden – mit Betonung auf relativ. Wer, um Gottes Willen, will denn trotz guter Handschuhe sowas stechiges klauen? Landschaftsarchitekten zum Beispiel, die aufgrund der Wirtschaftslage gezwungen sind, billigere Preise zu machen, sagen die, die’s wissen, die Polizei. Die haben nämlich damit begonnen, den Kakteen Microchips einzupflanzen und Überwachungskameras aufzustellen, nachdem ganze Mittelstreifen am hellheiteren Tag leergeräumt worden sind. Da würde ich ja so stinksauer, wenn mir einer meine mühselig gepflanzten Kakteen klauen würde. Mein Kaktusgarten ist schliesslich mein ganzer Stolz. Nur wer schon mal einen grossen Kaktus eingepflanzt hat, eingewickelt in Teppichstücke und herummanövriert mit alten Gartenschlauchstücken, kann meine Wut verstehen. Microchips und Überwachungskameras sind mir da nicht genug. Meine Kakteen haben GPS und senden Elektroschocks aus. Nur damit das grad klar ist.

Tuesday, August 19, 2008

Boxenstopp


Bis anhin habe ich die langen, und ich meine l-a-n-g-e-n Züge, die den Südwesten durchschlängeln immer bewundert. Ich mag die spärlich beschrifteten Container, deren Farben sich seltsamerweise in diese Wüstenlandschaft einpassen. Ich mag die einsamen Bahnhöfe im Nichts. Vor ein paar Tagen hat sich das alles schlagartig geändert, wobei schlagartig vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck ist. Meine neue Abneigung, um nicht zu sagen Abscheu, vor langen Zügen hat sich auf dem Weg nach Las Vegas zum Verwandtenbesuch graduell angestaut. Drei Stunden hin, drei zurück – und eine schöne, einsame Fahrt mitten durch die Mojave. Wie immer, wenn ich in den Sonnenaufgang fahre, gibts Kaffee im Auto, viel Kaffee. (Memo an mich selbst: nie wieder weisses Hemd tragen – Schlaglöcher). Kaffee hat seine Wirkung bei mir. Schon nach einer halben Stunde Fahrt hätte ich anhalten und zwischen der vorderen und hinteren Autotür am Strassenrand schnell und ungesehen mein Geschäft erledigen sollen. Kommt ja nie einer. Geht auch nicht anders – weit und breit keine Bäume, nur mickrige, durchsichtige Sträucher. Und rausfahren kann man auch nirgendwo, weil – Sand. Aber ich hab nicht angehalten, ich kanns schon noch aushalten. Dann plötzlich die geschlossene Barriere. Warten auf den Zug. Ach, endlich. Nervöses Trommeln auf dem Steuerrad. Hat dieser Zug überhaupt einen letzten Wagen? Ungeduldiges Hin- und Herrutschen. Mittlerweile stehe ich mitten im Stau, wo ich doch meinte, ich sei alleine unterwegs. Viele Leute steigen aus. Ich schaue mich nach einem Wohnwagen um, wo ich mal anklopfen könnte. Nichts. Als der Zug endlich durchgerattert ist und alle wieder in ihren Autos sitzen - Schneckentempo. Ich bin wie auf wie auf Schienen eingespannt – Stossstange an Stossstange auf einer einspurigen, schnurgeraden Strasse dem Verderben entgegen. (Neues Memo an mich selbst: weisses Hemd tragen, Kaffeeverbot).

Gelber Plüsch


Zugegeben, es war eine romantische Idee. Aber als sie sich erst mal in meinem Kopf festgesetzt hatte, gabs kein Zurück mehr. Ich würde mit diesem Bus einen Roadtrip machen, verschiedene Freunde für verschiedene Etappen einladen und bleiben, wo es uns gefällt. Gesagt, gekauft. Er war billig, der Verkäufer verlässlich, und das Interieur in gelbem Plüsch gehalten – grossartig kitschig. Und da man in der Wüste keine Platzprobleme kennt, stand der Bus rum bis ich dann irgendwann aufbrechen würde. Einmal kam mein Freund Alex (rechts im Bild) aus New Mexico mit seinem Cousin zu Besuch – eine perfekte Gelegenheit, mir von ihm das Fahren mit so einem Koloss beibringen zu lassen. Alex ist Navajo und steuert und flickt alles, was einen Motor hat. Er war begeistert. Wenn er den hätte, würde er ihn draussen im Reservat neben sein Haus stellen – als zusätzliches Zimmer, sagte er. Endlich hatte ich das Ding durch mein sonst doch nicht so enges Tor gequetscht. Ziel: Twentynine Palms Flughafen (ja, das gibts), was von meinem Haus aus genau eine einzige Rechtskurve bedeutet, danach gehts 15 Meilen schnurgeradeaus. Und obwohl ich wild entschlossen war, das Fahrgefühl zu lieben, fühlte ich mich unsicher. Beim Gedanken, den Bus ohne Alex zu fahren, kam Panik auf. Jetzt nur nicht schon aufgeben, dachte ich, als wir wieder zuhause ankamen. Ich fahr dann sicher irgendwann los. Alex reiste ab. Ich liess den Bus stehen. Und stehen. Meine Neffen fanden mich grossartig – einen Bus als Spielwiese! Die Mäuse fanden die Kabel grossartig. Und irgendwann hatte ich Angst, dass ich das Ding nie mehr loswerde. Ich rief Alex an. Er kam sofort, wieder mit Cousin, um das Ding nach New Mexico zu bringen. Nach ein paar kleinen Reparaturen fuhr er los. Er rief mich nach 30 Meilen an. Er war nur bis zum andern Ende von Twentynine Palms gekommen. Und da steht der Bus immer noch. Wir haben ihn den Barbesitzern da draussen geschenkt.

Wednesday, August 6, 2008

Zeit Management


Manchmal verfluche ich George Klor. George Klor hat mein Haus vor mir besessen. In 28 Jahren hat er einiges im und ums Haus getan. Einen abscheulich gemusterten Plastikboden über den schönen Originalboden in der Küche gelegt zum Beispiel. Oder ein Badezimmer mit hochflorigem, hellblauem Synthetikteppich ausgelegt. George Klor’s Interior Design Sünden habe ich dem Haus ausgetrieben. Seine Landschaftsgestaltung noch nicht ganz. Ein paar langweilige Tännchen hat glücklicherweise irgendein Käfer gefressen. Und die Hecken niederzustrecken, die vor der grossartigen Aussicht standen, war meine erste Amtshandlung. Dann wäre da noch der Oleander, wobei “der Oleander” das Ausmass nicht ganz beschreibt. Wir reden von 51 Oleandersträuchen (ich hab sie gerade zum ersten Mal gezählt und bin schockiert!) und von acht grossen Eucalyptusbäumen, die hier nicht heimisch sind und saufen, was das Zeug hält. Die hätte ich nicht gepflanzt, auch wenn Twentynine Palms seltsamerweise grosse Wasserreserven hat, aber soll ich sie deswegen verdursten lassen? Jeden Sommer spiele ich mit dem Gedanken, wenn eine Wässerungsrunde mindestens 90 Minuten dauert. Und das drei Mal die Woche. Wenn ich dann noch täglich eine Stunde Joggen miteinberechne, bleibt für Arbeit keine Zeit mehr. Ganz zu schweigen von zweieinhalbstündiger Sonneneinwirkung. Was mich auf die Idee gebracht hat, das eine mit dem andern zu kombinieren. So jogge ich nun also jeden zweiten Tag mit dem Gartenschlauch von Baum zu Strauch und jogge dann an Ort bis das Sandbecken um den Baum mit Wasser aufgefüllt ist und ich klatschnassgeschwitzt bin. Das sieht bestimmt so richtig doof aus und fühlt sich auch so an, aber es funktioniert – zeitlich und trainingsmässig. Darum lebt man schliesslich in der Wüste, damit keiner sieht, wie dumm man tut. Nur um dann darüber zu schreiben und es in der Vorstellung der Leser noch viel doofer aussehen zu lassen.

Friday, August 1, 2008

15 Sekunden


Ich sitze nichtsahnend am Schreibtisch, als der Kaffee in meiner Tasse sich selbständig macht. Er schwappt von links nach rechts und zurück. Dann mache ich mich selbständig – ohne mein Zutun. Ich schwinge – als ob ich auf einer Kreuzfahrt wäre. Aber ich bin nicht auf einer Kreuzfahrt (nur über meine Leiche, mir wird auf der Fähre über den Rhein schon schlecht), ich sitze mitten in der Mojave. Absolute Stille draussen. Nichts weit und breit. Kein Baustelle, auf der ein Kran umgefallen ist. Keine Truppenübung auf der 30 Meilen entfernten Marinebasis. Erst nachdem all diese Gedankengänge auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft sind, geht der Kopf dahin, wo er nicht hin will – ein Erdbeben. Verdammt, das ist ein Erdbeben. Erst mal stillsitzen, vielleicht gehts ja weg. Genau hinhören (hilft das was?). Alles schwankt. Das Haus schiebt sich als kompakte Masse auf dem Sand hin und her. Kein Krachen im Gebälk, nicht mal das leiseste Knistern. Ich schwinge mit. Mein Herz scheint stillzustehen und gleichzeitig aus der Brust zu springen. Ich halte mich am Schreibtisch (das hilft sicher nichts). Es ist ein schwerer Schreibtisch. Soll ich mich drunter verkriechen? Nein, halt. Die neuesten Forschungen sagen, man soll sich nicht unter schwere Möbelstücke ducken, sondern genau daneben. Der Tisch könnte zusammenkrachen. Aber neben ihm wird ein kleiner Freiraum entstehen, wenn alles runtergestürzt kommt. Ich sitze weiterhin wie angewurzelt auf meinem Bürostuhl. Wozu speichere ich das Wissen um den sichersten Ort, wenn ich es nicht anwende? Wahrscheinlich weil ich nicht glauben kann, dass dies “The Big One” sein könnte. Zum Glück habe die Risse des letzten Erdbebens noch nicht repariert, denke ich noch. Dann ist Ruhe. Ich warte auf die Aftershocks. Sind sie real oder spielen sie sich nur in meinem Kopf ab? Egal. Seekrank bin ich so oder so. Noch immer halte ich mich am Schreibtisch fest.

Schlangengrube


Sie entschuldigen, dass ich Ihnen hier kein Photo der Klapperschlange präsentiere, die mir vor ein paar Tagen beim Joggen über den Weg gelaufen ist. Oder besser gesagt ich ihr. Die Geistesgegenwart, mein Handy zu zücken und abzudrücken, hat mir gefehlt. Ich gebs ja zu, im Hochsommer zu nah bei den Felsen hinter dem Haus laufen zu gehen, ist eine Idee, von der ich allen meinen Besuchern abrate. Und es dann trotzdem selber gedankenlos tue. Eine fette Schlange wars, so viel habe ich gesehen. Und laut geklappert hat sie auch. Das nehme ich zumindest an, denn das war genau das Problem – ich hatte Justin Timberlake’s “Damn Girl” im Ohr statt die akustische Warnung der Schlange. So schnell bin ich noch nie nach Hause gelaufen. Auch das ein Fehler, schliesslich sollte man sich vor einer Schlange nicht abrupt bewegen. Das Maschendraht-Tor zur Einfahrt hab ich sorgfältig zugemacht, im vollen Bewusstsein, wie lächerlich sowas in Sachen Schlangenbekämpfung ist. In den sieben Jahren hier draussen, habe ich erst zweimal eine Schlange nah beim Haus gesehen, beide harmlos. Bei meinen Nachbarn hingegen ist das anders. Grad vor zwei Wochen hat sich eine Klapperschlange genau vor der Eingangstür gesonnt, sagt Sandy. Glücklicherweise habe ich sie vom Küchenfenster aus gesehen und nach Dan gerufen. Der hat den Schlüssel zum Waffenschrank gezückt, die Pistole rausgeholt und das Ding durchs Fliegengitter hindurch erschossen. Dan zeigt mir stolz das Loch im Gitter. Sag ihr, was dann passiert ist, drängt Sandy. Ich schaue Dan fragend an. Nein, sagt er zu Sandy, sie mag sowas nicht hören. Was denn, frage ich blöderweise nach. Ich hab die Schlange in die Abfalltonne geworfen und den Deckel geschlossen wegen den Kojoten. Später habe ich gesehen, dass das Ding explodiert ist in der Hitze. Explodiert??? Die beiden haben zwar einen Hang zum Übertreiben - mich verfolgt der Gedanke trotzdem. Und Sie nun auch.