Wednesday, April 28, 2010

That's all, folks


Es sind mittlerweile viereinhalb Jahre her, dass wir uns an dieser Stelle jeweils mittwochs kennengelernt haben – Sie mich ein bisschen besser als ich Sie, falls Sie den Coyote Corner regelmässig besucht haben. Aber ich habe über die Jahre auch einiges über Sie erfahren. Zum Beispiel, dass Sie gern schadenfreudig sind. Ich habe oft am meisten Zuschriften erhalten zu Kolumnen, in denen ich mich auf die eine oder andere Art zum Affen gemacht habe. Das hat Sie amüsiert. Rund 220 Geschichten habe ich in der Zeit aus der Mojave Wüste geschrieben – von einem Ort, an dem nichts passiert. Als wir die Kolumne angefangen haben, hätten wir wahrscheinlich alle nicht gedacht, dass sie so lange laufen würde, ich zu allerletzt. Aber irgendwie hat sich die Kolumne wie das Wüstenleben selbst entwickelt. Dass hier nichts passiert, ist nur der erste Eindruck. Dann schärft sich der Blick und der Wüsten Mikrokosmos wird zu einem eigenen Universum mit einer ganzen Fülle von Geschichten. Es hat Spass gemacht, Ihnen „meine“ Wüste näherzubringen, aber alles muss mal ein Ende haben und ich denke, nun ist ein guter Zeitpunkt. Ich werde diesen Sommer viel reisen und mich neuen Projekten zuwenden. Und nein, ich verlasse die Wüste nicht für New Orleans – ein Gedanke, über den ich vor ein paar Wochen hier sinniert habe. Und nochmals nein – ich höre nicht auf, weil ich von Ihnen bitter enttäuscht bin, dass mir auch nach vier Jahren noch keiner von Ihnen einen Swimming Pool geschenkt hat. (Ich würde diese Enttäuschung nur als milde einstufen – man kennt ja seine Pappenheimer). Es hat mich gefreut, dass ich einige von Ihnen zu einer Reise in die Gegend gelockt habe – eine Tat, für die ich hoffentlich bald das Twentynine Palms Chamber of Commerce Verdienstkreuz erhalten werde. Das würde ich Sie natürlich kurz wissen lassen. Die gesammelten Kolumnen finden Sie übrigens auf: LilianeLerch.com. Und – es war mir eine Ehre – so long, good-bye.

Wednesday, April 21, 2010

Herzlich Willkommen


Vor gut zwei Wochen hat mich mein Freund Skylar aus LA angerufen. Er und seine Freundin Erlea würden mich für ein paar Tage besuchen kommen. OK? OK. Erlea habe von ihrem Grossvater im Baskenland etwas Geld geerbt. Nicht viel. Aber immerhin. Sie überlege sich, in Joshua Tree ein Haus zu kaufen. Nun ist der Moment, sage ich. Das Schlimmste dürfte vorbei sein im Immobilienmarkt, aber die Preise sind noch nicht gestiegen. Sie kommen, treffen sich mit einem Makler und finden nichts. Was sie sich leisten könnten, sieht entweder heruntergekommen aus oder ist blöd gelegen. Was ihnen gefallen würde, können sie sich nicht leisten. Dann, am selben Abend macht Erlea online ihre Nachforschungen und sieht etwas, was schier unglaublich klingt: ein riesiges, halbfertiges Haus auf 8 - in Worten acht – Fussballfeldern Land an bester Lage in Joshua Tree für 29 000 – in Worten neunundzwanzig tausend – Dollar. Was ist hier falsch, denkt man automatisch, Zwei Wochen später ist immer noch nichts falsch. Was schon steht, ist mindestens 100 000 Dollar wert. Das Land ist, konservativ geschätzt, 60 000 Dollar wert – es ist unverschandeltes Wüstenland, äusserst privat gelegen und trotzdem einfach zugänglich. Es war das Traumhaus eines Paars – einer von ihnen ist plötzlich gestorben, der andere konnte und wollte nicht weiterbauen. Das Haus fiel an die Bank und das war das Ende. Und der Anfang für Erlea und Skylar, denn die Bank wollte den Klotz am Bein so schnell wie möglich loswerden. Plötzlich waren da noch zwei Mitbieter. Erlea und Skylar boten 35 000 Dollar und bekamen den Zuschlag. Die ersten Tage sind die beiden jungen Künstler zwischen Euphorie, Angst über den einen Mut und Überwältigung hin und her geschwankt. Nun lernen sie alles über Solarenergie, Wasserzufuhr, Wüstenmaterialien und Erdbebensicherheit. Und das mit den Schuhen, das wird Erlea auch bald lernen. Hoffentlich nicht “the hard way”.

Ausgespuckt


Kürzlich hat mir eine Freundin aus der Schweiz ein Buch geschickt, das ihr beim Stöbern in die Hände gefallen ist: Durch den Sand – Schriftstellerinnen in der Wüste. Sie hätte natürlich sofort an mich gedacht, hat sie geschrieben, und sie sei neugierig, ob ich Gemeinsamkeiten fände, den gemeinsamen Nenner. Mhm. Erst war ich mal erstaunt. Es war mir bis anhin nicht bewusst gewesen, dass ich zu einer so klar definierten Spezies gehöre - Frau, Schreiben, Wüste. Beim Lesen hat sich allerdings schnell herausgestellt, dass die meisten Geschichten und Betrachtungen nicht von Wüstenbewohnerinnen geschrieben sind, sondern von Wüstenreisenden. Ob in Afrika, im Nahen Osten oder in Amerika, ob heute oder vor hundert Jahren – die Wüsten der Welt scheinen dieselben Gedanken und Gefühle hervorzurufen. Vom Glück der Stille ist die Rede und vom Stillstehen der Zeit, vom Schärfen des Blicks und einem ganz andern Erfahren von Natur und Gefahr. Und natürlich vom Zurückgeworfensein auf sich selber – alles Dinge, über die ich auch schon geschrieben habe. Die Wüste hat eine Art, diejenigen, die nicht hierher gehören, schnellstens wieder auszuspucken, hat mir letzthin einer gesagt, ein Immobilienhändler, seltsamerweise. Das Rausspucken scheint nicht nur für Wüstenbewohner und solche, die es werden wollen zu gelten, sondern lustigerweise auch für die Schriftstellerinnen in der Wüste. Twentynine Palms kommt in der Sammlung gleich zweimal vor. Einmal in einem Text von Tanja Dückers, der mir authentisch erscheint und mich für ihr Buch interessiert. Und einmal in einem Text über eine nächtliche Wüstenfahrt von Christa Wolf, der für mich als Einheimische geradezu lächerlich unpräzis ist. Vier falsche Benennungen sind mir in dem kurzen und leider obendrein noch uninteressanten Text aufgefallen – von Wüstennamen über Pflanzen zu Restaurants. Die ist wohl auch von der Wüste ausgespuckt worden, die Frau Wolf.

Monday, April 12, 2010

Jammern


Ich hätte Sie ja gern angelogen und Ihnen vorgemacht, wir hätten hier die prächtigsten Ostertage verlebt, aber sowas ist leider in den Zeiten des Internets schwer machbar. Ein paar Clicks und Sie wissen – die Lerch lügt wie gedruckt. Na ja, nicht wie gedruckt, sondern gedruckt in diesem Falle. Sonnig ists ja schon, aber kalt ists, um nicht zu sagen schweinekalt. Jaja, nicht so wie in der Schweiz, aber zu kalt. Für meinen Geschmack zumindest und für die jährlichen Durchschnittswerte genauso. Morgens und abends muss ich sogar noch ein bisschen heizen – einfach unerhört - und ich hab tatsächlich nochmals Propangas nachbestellen müssen, um die 18 Grad Tage und 8 Grad Nächte zu überstehen. Die Wildblumen lassen auch auf sich warten. Dabei sollen die doch dieses Jahr grossartig werden, weil wir einen regenreichen Winter hatten. Ein paar lausige Desert Gold hats ums Haus rum. Das sind so margeritenartige Teile in Bleichgelb, nichts besonders Aufregendes also. Ach ja, und ein Kaktus hat eine rosa Blüte. Mensch, da hol ich doch nicht mal die Kamera hervor. Dichte Teppiche in magenta, sonnengelb und violett sind was ich will. Berge, die auf der einen Seite in tief-orangem Velour überzogen scheinen und auf der andern ein wildes, buntes Patchwork an Wüstenschönheit zur Schau stellen. Ins Death Valley hätte ich mit einer Freundin fahren wollen, um besagte Schönheit zu fotografieren. Aber die Website mit dem Wildflower Report gibt die Blust nur mit 60% an. Tut mir leid, aber für 60% fahre ich bestimmt nicht zwei Stunden hin und zwei Stunden wieder zurück – auch nicht mit einem Hybrid. Unter einem Wow-Faktor von 200% bewege ich mich schlichtweg nicht vom Fleck. Man wird verwöhnt, wenn man weiss, es geht auch anders, ich gebs ja zu. In wenigen Monaten jammere ich dann, weil’s zu heiss ist. Es ist ein Jammern auf hohem Niveau, auch das bin ich mir bewusst. Aber da mussten Sie jetzt halt auch mal durch.