Wednesday, August 29, 2007

SF - 29


Wo kommen plötzlich all die Leute aus San Francisco her? Je länger ich hier draussen in der Mojave lebe, desto mehr San Francisco Nester tun sich auf. Meist sammeln sich die SF Flüchtlinge um einen ersten mutigen Siedler, einen Ausscherer aus einem Freundeskreis, dem bald weitere folgen. Erst nur für Wochenenden, dann kaufen sie ihr eigenes Haus und bleiben wochenweise, und bald sind sie für immer da. Warum San Francisco, frage ich. Viele nennen die galoppierenden Häuserpreise in und um San Francisco als ersten Grund, aber das kann nicht alles sein. Mein Freund Ron zum Beispiel, ist Komponist und besitzt eine Bar in San Francisco. Er kam, weil er Stille suchte, hoch oben in den Bergen, zehn Meilen von der nächsten geteerten Strasse entfernt. Tony kam, weil er als Künstler die Wüste als neu zu bespielende Leinwand sah, weit ab vom Geschwätz der Kunstszene – eine Rechnung, die nur bedingt aufging. Mittlerweile leben genug Künstler hier draussen, um Eifersüchteleien und Animositäten einen sandigen Nährboden zu geben. Und dann ist da Jenna, eine junge Musikerin und politische Aktivistin, definitiv auf der linken Seite der politischen Arena angesiedelt. Sie ist gekommen, weil – eigentlich weiss ich nicht genau, warum sie gekommen ist, ausser, dass sie sich in die Weite der Mojave verliebt hat. Aber ich weiss, was sie nun tut, hauptberuflich sozusagen. Im Detail. Sie hat eine Affäre im anderen politischen Lager. Mit einem viel älteren Mann, der das Gegenteil von all dem verkörpert, was ihr vom politisch korrekten und freigeistigen San Francisco bekannt und lieb ist. Mr. X ist ein kontrollierender, republikanisch wählender Berufsmilitärler von der Marine-Basis in der Gegend, und Jenna ist ihm verfallen. Er ist so anders, sagt sie und zuckt entschuldigend mit den Schultern. Vielleicht ist ihr die Freiheit der Mojave zuviel geworden. Vielleicht allerdings, ist er ganz einfach auch wirklich gut.

Wednesday, August 22, 2007

Abgezockt


Also gut. Ich bin wieder mal im Wilden Westen stecken geblieben mit meinem Pick-up Truck. Mitten in Flagstaff, Arizona, wollte er nicht mehr – an einem Freitagnachmittag, etwa 180 Meilen vor meinem Ziel in Gallup, New Mexico. In die nächste Garage abschleppen, Mietwagen und alles, was so dazugehört. Am Montagmorgen dann das telefonische Urteil: Benzinflussregler, 200 Dollar mit Arbeit. OK, sage ich und mache einen Ausflug nach Santa Fe mit meinem Mietwagen, einfach so, grad z’leid, wenn ich schon warten muss. Am Dienstag ist das neue Teil eingebaut, aber der Wagen fährt nicht, sagt der Garagist. Diesmal soll die Reparatur 400 Dollar kosten. Ich rufe Danny an, meinen Wüstennachbar und Mechaniker, und frage um Rat. Die hauen dich übers Ohr, da in Flagstaff, sagt er. Sowas kann er auf den Tod nicht ausstehen. Also mieten er und seine Frau Sandy am nächsten Tag einen Abschleppanhänger für ihren Truck und fahren 380 Meilen, um mich abzuholen. Wir bocken die Vorderräder auf den Anhänger und schleppen ihn die 380 Meilen zurück nach Kalifornien. Etwas habe ich allerdings nicht bedacht, als ich den Vorschlag dankbarst angenommen habe – Danny und Sandy sind Kettenraucher und nach über fünf Stunden auf ihrer Hinterbank, bin ich eine Rauchwurst und muss dekontaminiert werden. Aber was soll man machen - nachdem sie schon den ganzen Weg angefahren kommen, kann ich mich ja wohl kaum über den Rauch beschweren. Danny’s Schulterhündchen scheint das nichts auszumachen, solange es in der Pole Position mitfahren darf. Am nächsten Tag macht sich Danny daran, rauszufinden, was mit dem Truck nicht stimmt. Rein gar nicht, stellt sich heraus, das Gefährt springt sofort an. Auch nachdem er zum fünften Mal die Sandstrasse rauf und runter gebrettert ist, lässt sich nichts finden,. 760 Meilen quer durch Kalifornien und Arizona, um rauszufinden, dass es gemeine Garagisten gibt. Und unbezahlbar nette Nachbarn.

Thursday, August 16, 2007

Geschäftssinn?


Das ist der Baum, den ich will: Palo Verde, was soviel heisst wie grüner Stab. Der Baum ist eigentlich in der Wüste von Arizona beheimatet, aber so genau nehmen wir es nicht in Kalifornien, wenn uns etwas gefällt. Er braucht wenig Wasser und ist ein Musterbeispiel an Energiegewinnung. Er macht nämlich seine Photosynthese nicht nur durch die Blätter sondern auch durch seinen grünen Stamm und die grünen Äste. Die sind wirklich so grün wie auf dem Bild. Da habe ich nicht mit Photoshop nachgeholfen. Also gut, ein bisschen saturierend nachgeholfen, aber nur um dem natürlichen Grün gerecht zu werden. Im Frühjahr sind die Bäume während zwei Monaten mit leuchtend gelben Blüten überzogen. Das will ich auch in meinem Garten. Meiner Mutter muss ich zuviel von den Dingern vorgeschwärmt haben. Geh und kauf dir ein paar davon, ich zahle sie, sagt sie ungeduldig ins Telefon, nur damit ich aufhöre. Ich haste in die nächstgelegene Gärtnerei und schaue mich um. Und sehe nichts Grünstämmiges. Endlich kommt ein Gärtner aus dem Gewächshaus und schleicht durch die Nachmittagshitze auf mich zu. Ach, Palo Verde, sagt er abwinkend, die will nun jeder und ich habe keine. Ich hasse, wenn jeder will, was ich will. Aber ich will diesen vermaledeiten Baum nun trotzdem. Er führt mich unter einen riesigen Palo Verde, der vor der Gärtnerei gepflanzt ist. Er bückt sich und hebt viele der trockenen Hülsen auf, in denen die Samen sitzen. Hier, sagt er und drückt sie mir in die Hand, die wachsen schnell, und so müssen Sie kein Geld ausgeben. Er erklärt mir, wie genau ich die Samen zum Keimen bringen muss. Muss man denn hier alles selber machen, denke ich, bis sich ein anderer, lieblicher Gedanke in mein Hirn schleicht. Wenn es stimmt, dass der Baum so schnell wächst, wird er mir bis zum Kinn reichen, wenn meine Mutter das nächste Mal angeflogen kommt. Wie teuer waren die handgenähten Westernstiefel nochmal?

Wednesday, August 8, 2007

Pioniergeist


“Es gibt so etwas wie ein zu langes Leben” hat Mary Colter mit 87 gesagt, ein Jahr vor ihrem Tod 1958. Damals ist eines der berühmten Hotels abgerissen und ein anderes geschlossen worden, welches die Architektin entlang der Santa Fe Bahnlinie gebaut hat, die den mittleren Westen mit Kalifornien verbindet. Die grosse Zeit der Bahnreisen war vorbei und das Hotel El Navajo in Gallup, New Mexico musste für eine Verbreiterung der Route 66 weichen. Dass gerade diese weitsichtige Pionierin im Glauben sterben musste, dass ihre Arbeit in Vergessenheit geraten würde, ist ungerecht. Noch heute sehen mehr Leute ihre Gebäude in einer Woche als diejenigen ihres Zeitgenossen Frank Lloyd Wright in einem Jahr. Sie wird erst jetzt wieder entdeckt, weil die Architekturgeschichte rund um die Architekturschulen im Osten geschrieben worden ist, und Mary Colter eigenständig im Südwesten gebaut hat. Man muss sich das vorstellen: Schon 1910, zehn Jahre vor dem Frauenstimmrecht, wird Mary Colter die Chefarchitektin von Fred Harvey, der alle Hotels, Restaurants und Shops entlang der Santa Fe Bahnlinie baut. Sie ist mit der kühnen Aufgabe beauftragt, grosse Gebäude zu den Naturwundern des Westens zu bringen. Und das hat sie getan, die zierliche und resolute Frau in Hosen und mit Stetson, eine kettenrauchende Perfektionistin. Allein am Grand Canyon hat sie acht Gebäude gebaut, eines davon, die Phantom Ranch Lodge unten im Canyon, wo jeder Stein mit Packeseln 9 Meilen nach unten transportiert werden musste. Der abgebildete Aussichtsturm, ein Souvenirkiosk, ist ganz an den Abgrund des Canyons gebaut. Er wirkt, als hätte er Jahrhunderte da gestanden, aber das perfekte Mauerwerk ist um einen Stahlrahmen gebaut. Für den dreistöckigen Innenraum hat Colter einen Hopi Künstler mit Wandmalereien beauftragt. Die Zusammenarbeit mit lokalen indianischen Künstlern hat sie immer wieder gesucht – auch bei ihrem liebsten Bau – dem Hotel La Posada in Winslow, Arizona. Es ist nun mit viel Liebe zum Detail restauriert worden. Die Perfektionistin würde sich freuen.