Wednesday, August 26, 2009

Was da so wächst...


Seit fast vier Jahren berichte ich an dieser Stelle wöchentlich von meinem Leben in der Mojave Wüste. Wie ich aus Emails von vielen Leserinnen und Lesern weiss, gehöre ich mittlerweile bei vielen von Ihnen zum Mittwochmorgen Kaffee wie das Buttergipfeli und das freut mich. Etwas habe ich Ihnen in den letzten vier Jahren nie erzählt – an was ich arbeite, wenn ich nicht gerade eine Kolumne für Sie schreibe. Über Schreibtischarbeit zu lesen, ist ja schliesslich auch langweilig, Da habe ich Ihnen lieber vom Alltag in Twentynine Palms berichtet, einem Ort, an dem die Zeit anders geht, wenn sie vor lauter Hitze nicht gerade still steht, und wo Kojoten und Hasen sich Gutenacht sagen. Ich habe von Begnungen mit kauzigen und liebenswerten Menschen erzählt, von Witzigem und gelegentlich von Ärgerlichem. Und ich habe offenbar Fernweh ausgelöst, denn ich höre immer wieder von Leserinnen und Lesern, die hierher gereist sind. Während den letzten Jahren habe ich aber auch an meinem ersten Roman gearbeitet: “Datura”. (Das Bild zeigt eine dieser Wüstenpflanzen.) Diese Woche ist er auf Deutsch erschienen. Auch “Datura” spielt über weite Strecken in Twentynine Palms. Es ist eine Geschichte, bei der es um eine grosse Liebe geht und um Tod – um eine Liebe, die sich zur Unzeit in zwei Leben zwängt und gewinnt, als alles verloren scheint. Und es geht darum, wieviel Leben und Schönheit im Abschiednehmen und im Sterben stecken kann, wenn man genau hinschaut. Hier die Auslangslage: Die Journalistin Emma de Antoni ist gerade in die Mojave-Wüste gezogen, als sie in einem Antiquitätengeschäft namens Datura auf Jackson Carver trifft, einen Mann, der nur in seiner Unabhängigkeit zuhause ist. Und wenn Sie nun denken, das hätten Sie von mir auch schon mal gelesen, dass ich gern in Antiquitätenläden rumstöbere, dann kann ich Sie natürlich nicht dran hindern. Mehr Infos finden Sie unter: LilianeLerch.com

Wednesday, August 19, 2009

Schildkrötenreise


Schildkröten reisen nicht gern, Wüstenschildkröten schon gar nicht. Sie sind am liebsten zuhause, suchen in ihrem eng begrenzten Territorium nach wasserhaltigem Essen und sind glücklich, wenn sie alle Monate mal fündig werden. Ein genügsameres Wesen als die Wüstenschildkröte kann man sich gar nicht vorstellen – sie kann bis zu einem Jahr ohne Wasser überleben, und das bei Bodentemperaturen von 60 Grad Celsius. Und nun müssen sie umgesiedelt werden, die Wüstenschildkröten, 1100 Stück von ihnen zumindest. Denn sie sind vom Aussterben bedroht und sie sind im Weg. Weil sie geschützt sind, kann selbst das US Militär ihre Militärbasis in der Wüste nicht einfach erweitern, ohne sich um die Schildkröten zu kümmern. Darum läuft jetzt ein Bewilligungsverfahren, 1100 der Tiere aus der Schusslinie zu verfrachten. Schildkrötenzügeln ist allerdings kein einfaches Unterfangen, auch wenn sie mit Haus reisen. Wenn Schildkröten merken, dass sie nicht mehr wissen, wo sie sind, setzt ein eingebauter Mechanismus ein, der ihnen sagt, sie müssten nach Hause marschieren. Das tun sie, bis zu sechs Meilen weit. Unterwegs werden sie Beute für Koyoten und die jungen Schildkröten für Raben. Der letzte Versuch, Schildkröten umzusiedeln, wurde wegen hoher Sterberate abgeblasen. 8,7 Mio Dollar hätte er gekostet für 600 Schildkröten. Das macht 14’500 Dollar pro Schildkrötenumzug. Bei den hohen Kosten muss man sich fragen, wie um Himmels Willen, die Schildkröten denn reisen. Jede im eigenen Panzer? Im Militärhelikopter? Ich finds ja gut, dass eine Militärbasis nicht einfach auf Biegen und Brechen und über Leichen erweitert werden darf und dass so ein altertümliches Wesen wie eine Schildkröte der neuesten Kriegstechnologe ein Schnippchen schlagen kann. Aber wärs denn nicht einfacher, gesünder und kostensparender, die Schildkröten in ihrem Revier zu lassen und einen neuen Sandkasten für die Kriegsspiele zu finden?

Blasebalg


Und dann, plötzlich, von einer Stunde auf die andere ist er da, der Wüstenwind. Ich rede nicht von einem lauen Lüftchen, und von lau schon gar nicht zu dieser Jahreszeit. Ich rede von Luftstössen und Wirbeln, Gerüttel und Gezerre, heiss und wild. Was jetzt nicht niet- und nagelfest angemacht oder zumindest wie im Bild mit Steinbrocken beschwert ist, fliegt davon. Bei meinen Freunden Ron und Rebecca sind die Steine eine permanente Installation, aber die wohnen auch höher und noch windexponierter als ich. Ich stelle meine Gartenmöbel immer auf und trage sie an ihren ursprünglichen Platz zurück. Und wenn ich weg war, sagen mir deren Stellung und Position alles über die Windsituation in meiner Abwesenheit. Auch wenn ab und an Windwarnungen von über 40 Meilen Geschwindigkeit pro Stunde ins laufende Fernsehprogramm eingeblendet werden, gibts trotzdem relativ wenige Sandstürme, wo man gar nichts mehr sieht. Der Sand hier ist zu grobkörnig, um leicht davonzufliegen. Bis Fussspuren im Sand verschwinden, braucht es einiges, aber es ist auch schon vorgekommen. Da ist mir allerdings gleichzeitig auch ein Teil des Dachs davongeflogen. Mit der Temperaturveränderung beim Eindunkeln verstärken sich die Winde. Das trifft sich immer schön mit dem Moment, in dem man den Grill anstellen will. Dann muss man noch mehr aufpassen als sonst schon, dass keine Glut entwischt und ein ausgedörrtes Pflänzchen erwischt. Im stürmigen Wüstenwind fliegen Vögel nicht mal mehr seitwärts und diejenigen, die laufen, würden den Linienlauftest der Polizei nicht bestehen. Wenn draussen Sträucher und Bäume in Wind tanzen und nur noch die dicken, fetten Kakteen stramm stehen, und wenn sich die Hunde in die hinterste Ecke verkriechen, klingt der Wind im Haus wie heulender Gesang. Der trockene Wüstenwind weckt eine undefinierbare Sehnsucht – nach was genau – ausser nach Handcrème und Bodylotion – ich habs immer noch nicht herausgefunden.

Wednesday, August 5, 2009

Französisch baden


Wenn man halt keinen eigenen Pool hat – um jetzt dieses leidige Thema wieder einmal aufzubringen – muss man erfinderisch werden. Die kriminelle Energie, wenn auch von der harmlosen Sorte, überfällt einem leicht und schnell bei 43 Grad im Schatten und keinem nassen Fleck weit und breit. Es gibt hier einen öffentlichen Pool, der zur High School gehört und der für eine Stunde täglich für Schwimmer reserviert ist. Der ist gross und unattraktiv. Und dann gibts viele kleinere Pools in viel schönerer Umgebung, die zu Hotels und Motels gehören. Viele dieser Pools sind von aussen zugänglich, ohne dass man sich je an einer Hotel Reception vorbeischleichen muss, wie ich mit meiner Freundin JB neulich erkundet habe. Die Hotelpools sind natürlich nicht für die Einheimischen gedacht. Also mimen wir Touristen, die nur eben mal in Badelatschen vom Hotelzimmer zum Pool geschlichen sind in ihren Badeanzügen, ein weisses Frottéetuch um die Hüften geschlungen. So staffieren wir uns schon zuhause aus, fahren vor und parken weit vom jeweiligen Hoteleingang. Dann spazieren wir nur mit Schlüssel und Handy bewaffnet durch den Hotelgarten und lassen uns am Pool nieder. Jeden Tag an einem andern. Wir haben unseren Akt mittlerweile perfektioniert. Eines Tages hat JB, die ursprünglich Kanadierin ist, angefangen, ihr Französisch zusammenzuklauben und mir im Pool lauthals Dinge wie “J’aime le poulet à Paris dans le vent en hiver, tu sais” zuzurufen, als sich der Manager zu lange am Pool rumgetrieben hat. Mein “Ah très bien, moi aussi, oui, oui, oui” hat ihm zwar jeden Zweifel genommen, dass wir Touristen und Gäste sind, auch wenn er uns noch nie gesehen hat, aber mich hats nur wieder mal beschämt, dass mein Französisch sich in heisse Wüstenluft aufgelöst hat, seit ich immer Englisch spreche. Um einen Hotelmanager in Twentynine Palms zu verscheuchen, reichts. Aber eigentlich ist’s eine Schande. Acht Jahre büffeln für die Katz.