Wednesday, April 29, 2009

Verscharrt


So. Nun ist es also soweit. Ich habe offiziell nicht mehr alle Tassen im Schrank. Oder zuviel Sand im Getriebe. Nicht dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, es so ausgedrückt hätten. Nein, Sie waren vorsichtig. Nett. Sich selber hinterfragend sogar. Ob mir da vielleicht ein Fehler unterlaufen wäre, haben Sie gefragt. Ob es eine Verbverwechslung gegeben hätte. Eine Verbverwechslung? Ich bitte Sie. So einen Mist habe ich schon lange nicht mehr zusammengeschrieben. Von verschacherten Leichen habe ich berichtet und verscharrt gemeint. Und zwar nicht nur einmal, irgendwo im Text versteckt. Nein, dreimal, und an prominenter Stelle obendrein. Nun müssen Sie wissen, dass ich meine Texte immer mehrere Male durchlese, um obengenannten Mist zu vermeiden. Da ist mir nichts aufgefallen. Nicht das geringste. Das verstört mich aus heutiger Sicht fast am meisten. Ich suche nach Erklärungen – lassen Sie mich das korrigieren – Entschuldigungen. Ich wohne seit über zehn Jahren im amerikanischen Sprachraum und schreibe viel Englisch. Nein, vergessen wir das. Für jemanden, der auch mit deutscher Sprache sein Geld verdient, ist das keine Entschuldigung. Speziell nicht, da im Herbst mein erster Roman erscheint – auf deutsch. Der Verlag sitzt in Hamburg und hat glücklicherweise ein strenges Lektorat. Hey, da ich gerade einen Weg aus dem Loch suche, in das ich mich selbst verscharrt (man ist ja lernfähig) habe - wo bleibt denn das Lektorat der BaZ, wenn man es braucht? Sparmassnahmen? Oder blindes Autorenvertrauen? Das wäre ja gut und schön, aber figura zeigt, wohin sowas führen kann. Na, wenigstens hat das ganze Debakel zu einer Kolumne geführt, tröste ich mich. Und da ich weiss, dass Sie die Kolumnen, in denen ich mich selbst aufs Korn nehme, immer am liebsten mögen – voilà. Ich wünsche mir, es wäre von Anfang an ein abgekartetes Spiel gewesen. Tja. Um schonendes Anhalten wird weiterhin gebeten…

Wednesday, April 22, 2009

Paranoia


Plötzlich stand fast jede Woche ein neuer Wohnwagen vor dem Haus, falls man diese heruntergekommenen Dinger überhaupt als solche bezeichnen kann. Und nicht nur Wohnwagen, da häuften sich Boote, Motorräder, Dachziegel, Alteisen usw. Bald war expandierte der Schandfleck und breitete sich auch ausserhalb des Zauns aus. Manchmal büchsen meine Hunde aus, jagen durch die offene Wüste zu diesem Haus ein paar Sandstrassen weiter und graben den nicht existenten Garten um. Und sind sie erst mal in ihrem Element, sind sie kaum dazu zu bewegen, mir mehr zu folgen als ihrer Nase. Dann geht die Fantasie mit mir durch. Das Repertoire reicht von Tierkadavern bis zu den obligaten, in der Wüste verscharrten Leichen. Dabei schaue ich doch gar keine Horrorfilme. Einmal hat mich der Mann, der da wohnt, angerufen, weil er meine Telefonnummer auf dem Hundehalsband gelesen hat. Er wollte nicht, dass ich mich um die Hunde sorge. Kann ein Massenmörder und Leichenverscharrer so nett sein? Sind die Netten am Ende nicht die Schlimmsten? Will er nicht, dass die Hunde seinen Schreckenstaten auf die Spur kommen? Ich fuhr also hin, um sie abzuholen und blieb nah beim Auto stehen, während der Mann auf mich zukam und sich als Roger vorstellte. Auch in Person war er nett. Sehr verdächtig. Er deutete auf die Wohnwagen. Ich entschuldige mich für die Sauerei hier, sagte er. Ach, kein Problem, ist ja Ihr Land, murmelte ich und hoffte, er merke mir meine paranoiden Gedanken nicht an. Ich bin Bauleiter und viele meiner Kunden haben in der jetzigen Wirtschaftslage pleite gemacht. So lasse ich mich halt in Materialien bezahlen, was immer da ist. Ich hoffe, ich kann die Wohnwagen einigermassen herrichten und sie dann für ein paar Dollar verkaufen. Nun tat es mir leid, dass ich ihn als Massenmörder verdächtigt hatte, während er versuchte, sich mit aller Kraft über Wasser zu halten. Andererseits, diese Leichenverscharrer…

Wednesday, April 15, 2009

Sauer verdient


Ich bin etwas verunsichert in Sachen Obama. Drei Monate ist er nun Präsident, aber das habe ich im Vorfeld nicht bedacht. Es ist Tax Season in den USA – Steuer Saison. Jeweils am 15. April sind die Steuererklärungen fällig. Saison bezieht sich auf die zwei Monate davor, wo als Freiheitsstatuen verkleidete Angestellte von Steuerbüros am Strassenrand rumtanzen und auf ihre Dienste aufmerksam machen, wo jeder TV-Spot irgendetwas mit Steuern zu tun hat und sei er für Corn Flakes, und wo jede Quittung auch für die minimalsten Beträge plötzlich Gold wert wird. Jeder sucht nach mehr Abzügen. Und nun, nach Jahren der Regierungsfeindlichkeit – der absolut verstörende Gedanke: muss ich nun gern Steuern zahlen, weil ich Obama mag? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn meine Buchhaltung kreativ ist? Ich habe noch nie in meinem Leben unter einer Regierung gelebt, die ich so akzeptiere wie die Obama Präsidentschaft. Muss ich mein Geld nun freudig beim Weissen Haus durch den Zaun stecken? Hier habt ihr was an den organischen Gemüsegarten, Michelle. Hier habt ihr Meilenentschädigung für die Air Force One. Nehmt nur, ich zahle gern. Na ja, so gern nun auch wieder nicht, ich gebs ja zu, aber, boy, war das schön, letzte Woche so etwas wie den Neid der Welt auf sich zu spüren, als Obama in Europa war. Er hätte wohl die Wahlen in allen Ländern, die er besucht hat, auch grad noch gewonnen, wäre er wählbar gewesen. Und es war schön, nicht, wie während der letzten acht Jahre, TV, Radio und Zeitungen zu meiden, wenn der Chef auf Auslandreise ist, um sich von den diversen Fettnäpfchen, was sage ich – Fettmeeren, auf dem internationalen Parkett nicht einholen zu lassen. Eigentlich, wenn ich mirs genau überlege, das allein ist es mir doch eigentlich wert, dass ich meine Steuern dieses Jahr freudig durch den Zaun stecke. Den Neid der Welt – den haben wir uns während acht Jahren sauer verdient.

Thursday, April 9, 2009

Verschlafen?


Ich warte. Ich warte ungeduldig und schon etwas beunruhigt. Meine wilde Schildkröte (hier in einem letztjährigen Bild) sollte nun jeden Moment eintreffen. Pünktlich, fast auf den Tag genau, ist sie in den letzten Jahren aufgetaucht, hat sich den Winterschlaf aus den Augen gerieben und ihre übliche Runde um mein Haus gedreht, um sich dann vor meiner Haustür niederzulassen und mit den nicht vorhandenen Fingern leicht ungehalten auf die nicht vorhandene Bartheke zu klopfen. Wo ist mein Salat, Lady, meine Tomaten, besser noch, wo sind meine Erdbeeren? Hab ich Ihnen in den letzten Jahren nicht unmissverständlich klargemacht, dass ich meine Nahrung gern in Rot zu mir nehme? Ich habe gelernt und Vorräte gekauft. Nun hoffe ich, dass ich nicht auf meinem roten Kühlschrank sitzenbleibe – Tomaten, Erdbeeren, Himbeeren, alles ist da und wird bald vor sich hinfaulen, wenn ich nicht vor der Schildkröte zubeisse. Die ersten Apriltage sind ohne ihr Erscheinen verstrichen. Nun sitze ich ja nicht Tag und Nacht auf der Lauer, um den Moment nicht zu verpassen. Schildkröten sind ja nicht gerade für ihre laute Art bekannt. Und meine Hunde haben sich bereits dermassen an ihr Rumkriechen gewöhnt, dass sie nicht mehr reagieren. Ich könnte ihn also theoretisch verpasst haben, den grossen Moment. Die Schildkröte hätte theoretisch auf meine tauben Barmaid-Ohren stossen können und enttäuscht von dannen gezogen sein. Aber irgendwie will ich das nicht glauben. Also mache ich mir Sorgen. Wüstenschildkröten sind vom Aussterben bedroht, und ich will wenigstens “meiner” wilden Wüstenschildkröte eine anständige Lebensabschnittpartnerin und Schlummermutter sein. Schildkröten werden sehr viel älter als Menschen. Nach mir muss sie sich jemand anders suchen, der sie durchfüttert. Aber wenn die Inbesitznahme der Wüste durch den Menschen weiter fortschreitet, dann helfen auch die rotesten Erdbeeren nicht mehr weiter.

Post!


Meine Freundin Rebecca kauft seit neuestem übers Internet ein; eine Telefonleitung ist das einzige, was sie und ihren Mann mit der Umwelt verbindet, ansonsten sind sie strom- und wassertechnisch Selbstversorger.
Sie leben fern ab vom Schuss - von der Poststelle von Pioneertown aus ist es eine halbe Stunde Fahrt auf schmalen, steilen Sandstrassen, die sich durch felsiges Terrain schlängeln. Und schon Pioneertown ist nun nicht gerade der Inbegriff eines städtischen Ameisenhaufens. Von Ron und Rebecca’s Haus aus sieht man nichts als unberührte Natur. Besuchen kann ich sie nur mit einem Pickup Truck, der Volvo liegt zu tief für die vielen Schlaglöcher. Rebecca hat also freudig per Mausklick bestellt und Fedex hat geliefert. Oder es versucht. Zuerst einmal hat die Zentrale angerufen, man könne die Adresse auf keiner Landkarte finden. Sie können das Paket auf der Poststelle abgeben, offerierte Rebecca. Nein, Fedex liefert, sagte der Mann und notierte. Beim Totenkopffelsen rechts, beim Joshua Tree, der auf einer Krücke lehnt geradeaus usw. Fedex Fahrer haben ihre Ehre. Aber so schnell wird der Fahrer diese Tortur nicht noch einmal mitmachen und diese Strasse hochgekrochen kommen. Nach zwei Stunden Suchen war er endlich am Ziel. Dass die Büsche ihm während seiner Odyssee die neuen Rückspiegel zerkratzt haben, hat ihm den Rest gegeben. Er öffnete die Laderampe und brachte ein kleines Päckchen zum Vorschein. Nun bin ich neugierig, was da drin ist, sagte er. Drei Kerzen, die ich auf dieser Website... Der Mann starrte Rebecca entgeistert an; sie fühlte sich zu einem ”sie sind wirklich wunderschön” verpflichtet. Der Fahrer stieg wortlos in seinen Laster, wendete ihn mit Ach und Krach auf dem knappen Kehrplatz und ward nie mehr gesehen. Auch seine Kollegen von UPS und DHL nicht. Rebecca überlegt sich, von nun an Blutplasma oder Herzschrittmacher auf alle ihre Pakete schreiben zu lassen.