Wednesday, January 31, 2007

Wer zuletzt lacht


Es gibt einen Robert Redford Film darüber, warum die letzten Indianer 1908 Twentynine Palms verlassen haben. “Tell them Willie Boy was here” heisst er, ist von 1969 und kein Meisterwerk. Darin jagt er als Sheriff einen Halbblut – Willie – der den indianischen Vater seiner Liebsten umbringt, mit ihr in die offene Wüste flüchtet und sie in der Oase von Twentynine Palms ebenfalls umbringt. Die Geschichte ist historisch nicht ganz authentisch erzählt, aber in groben Zügen wahr. “Die grosse Verbrecherjagd durch die Wüste” machte damals Schlagzeilen rund um die USA. Der Willie zum Opfer gefallene Vater und seine Tochter gehörten zu einer kleinen Untergruppe des Chemehuevi Stamms, genannt 29-Palms-Band-of-Mission Indians. Nach den unseeligen Ereignissen war die Zeit für einen Ortswechsel gekommen. Die meisten von ihnen zogen ins von der Regierung eingerichtete Reservat für die Cabazon- und 29-Palms-Indianer westlich von Palm Springs, nicht zuletzt weil mittlerweile die Schulpflicht eingeführt worden war und Twentynine Palms zu weit ab vom Schuss lag – sowohl für die Regierungs- wie für die indianischen Offiziellen. Das Reservat mit einem andern Stamm zu teilen ging nicht lange gut, aber erst in den Siebziger Jahren wurde den 29-Palms-Indianern ihr eigenes Land zugesprochen. Es liegt weit südlich von Twentynine Palms, südlich des Joshua Tree National Parks – ein auf den ersten Blick unattraktives Stück Land, durchkreuzt von einem Highway und dem massiven 10er Freeway, der LA mit Phoenix verbindet. Die 29-Palms-Indianer haben es zu ihrem Vorteil genutzt und die gute Verkehrslage mit dem exklusiven Recht der Indianer, Casinos zu betreiben, verbunden. 1994 wurde das Spotlight 29 Casino eröffnet – mit Donald Trumps Management Firma als Betreiber des Ganzen. 2005 haben die 29-Palms-Indianer den Donald für 6 Millionen Dollar ausbezahlt, nachdem dessen Management Firma Bankrott erklärt hat.

Diese indianische Wandmalerei ist im Aussichtsturm des Grand Canyon, hat mit der Geschichte nichts zu tun, sondern ist einfach nur schön.

Thursday, January 25, 2007

Die Wüste ist schuld


Ich lebe in Phasen. Wenn ich in Los Angeles bin, ist meine Agenda gedrängt. Ich treffe Leute zum Morgen-, Mittag- und Nachtessen und erledige zwischendurch alles effizient, was ich mir vorgenommen hab. Wenn ich in der Wüste bin, ist die Agenda leer. Gähnend leer. Das Konzept Agenda existiert nicht. Der Wüstenwind bläst jegliche Strukturen aus den Hirnwindungen. Zeit hat eine andere Qualität, ist eine andere Masseinheit. Tage kommen einem abhanden, verschmelzen ineinander, sind nur durch verschiedene Naturspektakel voneinander zu unterscheiden, nicht unbedingt durch Geleistetes. Plötzlich sieht man junge Hunde am Himmel rumtollen und freut sich drüber. Es kann schon mal vorkommen, dass ich eine Woche lang mein Haus und meinen Garten nicht verlasse – und das nicht merke. Ich stehe früh auf (senile Bettflucht), und lese mit dem ersten Kaffee Zeitung (online, weil mir keiner meine Zeitung zum Haus liefern und sich dabei ruinieren will - so weit draussen wie ich wohne, oh, no Mad’m, sorry). Dann gehts ans Schreiben. Oder ans Vor-dem-Schreiben fliehen, was technisch das gleiche ist - und schon ist es wieder Abend. Wenn ich brav gewesen bin und was Anständiges zu Papier gebracht hab, darf ich fernsehen. Ausser wenn die neue Saison von “24” angelaufen ist, wie gerade jetzt (OH MY GOD, ist alles, was ich Ihnen dazu schon mal verrate), dann darf ich auch schauen, wenn ich nichts Nennenswertes geleistet hab. Ich mag es, in flockigen Wochen zu denken und nicht in Stundenzellen. Man vertagt und verschlampt und erledigt trotzdem das meiste. Nur wenns ans Vergessen geht, wirds schwierig. Wie damals, als ich mich in meiner Rolle als Hospizvolontärin eines Sonntags bei 20 (in Worten “zwanzig”) Patienten telefonisch nach ihrem Befinden hätte erkundigen sollen. Und es vor lauter Strukturlosigkeit völlig vergessen hab. Glauben Sie mir, ich neige von Natur aus nicht zum Verschlampen. Wie gesagt, die Wüste ist schuld.

Wednesday, January 17, 2007

Sie klettern wieder


Die Felsformationen im Joshua Tree National Park sind ein weltweit bekanntes Kletterparadies und eines der wenigen, das auch im Winter Hochsaison hat. Der Sommer ist die tote Saison hier. Bei weit über 40 Grad im Schatten würden Kletterer nicht nur in der Sonne dahinschmelzen, sie würden sich die Hände verbrennen am heissen Gestein und am Metall der Haken.
Von weitem sehen die einzelnen Felsbrocken täuschend rund und glatt aus. Und so, als würden sie aufeinander balancieren. Es ist über hundert Millionen Jahre her, dass sich das Felsgestein Meilen unter der Erdoberfläche abgekühlt und gehärtet hat. Grundwasser erodierte den Granit in fantastische Formen, während flutartige Überschwemmungen die erdige Schutzschicht immer mehr wegwuschen und die Felsformationen dem Wind preisgaben. Eine grobe Schmirgelpapier-Oberfläche entstand, die nun den glatten Gummisohlen der Kletterer Haftung bietet. An milden Vorfrühlingswochenenden sind die Felsformationen von farbigen Punkten übersäht, die sich langsam hoch oder schnell runter bewegen. Manche Kletterer sind so süchtig, dass sie unter ihren Felswänden kleine Zeltstädte aufbauen – auch in eisigen Winternächten. Websites beschreiben über 6000 Kletterrouten mit genauen Angaben über Schwierigkeitsgrad und Hakenmenge.
Kletterer schütten glücklich machende Endorphine aus. Man erkennt sie von weitem - mit verklärtem Gesichtsausdruck sitzen sie abends in Bars – der Blick schweift durch die Whiskyflaschen hindurch in unbestimmte Weiten. Sie reden nicht viel. Kein lautes Prahlen mit Höchstleistungen und bezwungenen Gipfeln und Ängsten. Denn obwohl sie die Schwerkraft so sichtbar überwinden, es ist der innere Höhenflug, der zählt. Anfänger überkommt oft ein ungläubiges Staunen, ob ihre Leistung vielleicht nur ein Traum war. Wenn sie sich sehen könnten, käme kein Zweifel auf. Sie sind verbrannt, geschunden und geschürft. Aber eben, glücklich.

Tuesday, January 9, 2007

Schweizer im Sand


Die Orchideenfarm der Familie Gubler in Landers hab ich per Zufall gefunden. Sie liegt neben Georg Van Tassels Dom zur Kontaktaufnahme mit den Ausserirdischen, über den ich an dieser Stelle kürzlich berichtet habe. Orchideen in der Wüste zu suchen, wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Das mag damit zusammenhängen, dass Orchideen bis anhin auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala unweit von, sagen wir - Heuschnupfen rangiert haben. Und damit, dass für einen Laien wie mich delikate Pflanzenaufzucht und das rauhe Wüstenklima nicht zusammengehen. Weit gefehlt. Es war die drei Fussballfelder grosse Fläche voller Gewächshäuser und das Versprechen von “Cold Drinks”, die mich von der Strasse lockten. Ich zeige Ihnen gern alles, sagte die nette Dame und schubste mich auf eine Tour durch die Gewächshäuser. Sie bombardierte mich mit botanischer Nomenklatur – Orchideen sind meine Obsession, sagte sie entschuldigend und versuchte, mich mit einem Besuch bei den fleischfressenden Pflanzen aufzuheitern, in deren feinen Härchen sich Insekten verfangen. Die Gublers gehören zu den berühmtesten und grössten Orchideenzüchtern der Welt, lernte ich. Was 1918 mit Heinrich Gubler in Pfäffikon bei Zürich begann, wurde von 1954 an von seinem Sohn Hans und seiner Frau in Altadena bei Los Angeles fortgeführt. Sein erster Verkaufsstand: die Ladebrücke seines Kombis. 1975 haben die Gublers ihre Orchideenzucht in die Wüste verlegt: saubere Luft, Sonne im Überfluss und gute Wasserqualität lassen ihr Geschäft prosperieren. 1992 erschütterte ein 7.8 Erdbeben die Gegend um Landers. Die Gublers bauten wieder auf, besser und grösser.
Ich mag wild wachsenede Blumen immer noch besser als Orchideenzucht. Aber Pioniergeist und Durchhaltevermögen, mittlerweile in der dritten Generation, gefallen mir. So auch die gemeine Dalmatiner-Orchidee, deren botanischer Name sich partout nicht in den feinen Härchen meiner Gehörgänge verfangen wollte.

Tuesday, January 2, 2007

Julia und ich...


… sind eingeschneit in Taos, New Mexico. Mit Julia meine ich Julia Roberts. Ich hätte mich auch zu Donald Rumsfeld gesellen können, aber das macht man ja weniger gern. Beide besitzen ausserhalb von Taos eine Ranch, wohingegen ich meinem Freund Josh und seiner Familie auf der Pelle hocke und ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehme, bis die Strassen wieder schneefrei sind. Das dauert nun schon drei Tage länger als ich ursprünglich bleiben wollte. Berge von Neuschnee hat es hingelegt, und an den weissen Strassen führt für mich mit meinen Südkalifornischen Sommerreifen kein Weg vorbei. Dabei habe ich, rein physisch gesehen, hier oben den Höhenkoller. Ich schiebe Chlorophyll Tabletten ein, um die 2200 Meter über Meer in Griff zu kriegen. Trotzdem gefällt es mir ausserordentlich. Die Hochebene hat magische Qualität, und das Haus der Blackwells ist wunderschön und mitten in Taos gelegen. Technisch gesehen ist der Norden New Mexicos eine Wüste, wenn auch eine mit reicherer Vegetation als die Mojave. Ich schwöre, dass unter dem Schnee dichter, gelb schimmernder Sagebrush die roten Felsen kontrastiert, die je nach Licht auch violett und blau scheinen können. Das indianische Taos Pueblo mit seinen zweistöckigen Adobe-Bauten ist seit über 1000 Jahren ohne Unterbruch bewohnt und ist eine der von der UNESCO geschützten Stätten mit reichem Kulturerbe. Um 1600 kamen die spanischen Konquistadoren, nahmen sich, was sie wollten, bauten Kirchen und machten Taos zu einem wichtigen Handelszentrum. Anfangs 20. Jahrhundert entdeckten viele Künstler und Schriftsteller die landschaftliche Schönheit der Gegend mit ihren unendlichen Ausblicken und den immer wechselnden Farben – die berühmstesten unter ihnen Georgia O’Keefe, Ansel Adams und D.H. Lawrence. Es gibt unangenehmere Orte, wo man eingeschneit sein kann. Ich stapfe durch das wunderschöne Taos und denke mir, es wird ein gutes, neues Jahr.