Wednesday, January 30, 2008

Heisse Quellen


Heute ists schweinekalt, lass uns baden gehen, sagt meine Freundin J.D. als sie mich früh morgens anruft, während ich noch unter drei Decken liege und mich nicht überwinden kann, das warme Nest zu verlassen. Die Aussicht, im Badekleid von der Kabine bis zu den Warmwasser-Pools zu laufen, scheint wenig verlockend. In den Pools zu liegen und die schneebedeckten Bergspitzen hinter den Palmen zu sehen - das schon eher. Desert Hot Springs ist etwa 45 Minuten entfernt, nahe bei Palm Springs. Aber von dessen Glamour hat es nichts abgekriegt. Tankstellen, Second-Hand Läden und ein paar Supermärkte, das wärs dann auch schon - Shopping ist definitiv nicht die Attraktion von Desert Hot Springs. Wie der Name sagt, ist es das heisse Wasser. Sieben Jahre dauert es bis das Regenwasser über den San Gorgonio Bergen zu Grundwasser wird, das von der Magma der Erde auf 60 Grad erhitzt wird. Aus fast 100m Tiefe wird es heraufgepumpt und in verschiedenen Heilbädern im Ort feilgeboten. Wir gehen immer ins gleiche - Desert Hot Springs Spa, eine Institution. Das Bad sieht seit den Fünfziger Jahren gleich aus, und es ist sein leicht heruntergekommener Charme, der es uns angetan hat, nicht nur wegen des Preises. Für drei Dollar pro Tag kann man sich hier unter der Woche den ganzen Tag in den acht Pools im grossen Innenhof suhlen. Alle haben eine andere Wassertemperatur. J.D. ist härter im Nehmen als ich. Bei fast 40 Grad warmem Wasser kriege ich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, aber bei 37 Grad kann ich es in dem mineralienreichen Heilwasser stundenlang aushalten. Die verspannten Schultern besinnen sich eines bessern, während die Haut schrumpliger wird. Das macht nun auch keinen Unterschied mehr. Schliesslich hat nicht nur das Bad einen heruntergekommenen Charme sondern auch die andern Gäste – jung oder alt. Das ist alles so entspannend, dass ich abends um acht bleiern ins Bett sinke. Geheilt.

Thursday, January 24, 2008

Wüste zu verkaufen…


…sagt die Schlagzeile zu dieser Anzeige in der lokalen Zeitung. (Eigentlich wollte ich Ihnen ja nur dieses Bild zeigen. Nun muss ich dummerweise noch einen Artikel zum Thema schreiben). Es gibt derzeit viel Land zu verkaufen. Und viele Häuser. Immobilienmakler zu sein ist nicht lukrativ heutzutage – seit der Hypothekenkrise geht nichts mehr. Und wenn, dann zu extrem viel niedrigeren Preisen als noch ein Jahr zuvor. Leute, die vor zwei Jahren bei Markthöchststand verkauft haben und damals als finanziell unzurechnungsfähig angeschaut wurden, sind heute Helden, weil man immer erst hinterher klüger ist. Immer mehr Verkaufsschilder stehen entlang der Highways und locken die Käufer mit immer abstruseren Versprechen von der Strasse. Da wird noch ein Flachbildschirm obendrauf gegeben, dort wird die Wasserrechnung für ein Jahr bezahlt. Es ist ein Käufermarkt. Die ärmsten, die nun verkaufen müssen, werden in TV Serien darauf getrimmt, wie sie ihr Haus effektheischend aufmotzen können. Nichts wird dem Zufall überlassen. Von der äusserst beliebten halbrunden Vorfahrt vor dem Haus (einige tausend Dollar Mehrwert) bis zur einladendsten Eingangstürfarbe (ein kräftiges rot mit weissem Türrahmen). “Curb Appeal” heisst das, wenn das Haus schon vom Strassenrändchen her einen guten Eindruck macht. Da gehört auch Landschaftsarchitektur mit heimischen Pflanzen dazu – wasserkonservierend, selbstverständlich. Wer keinen neuen Aluminium Herd und Kühlschrank in der Küche stehen hat, bleibt auf seinem Haus sitzen. So auch die stylingmässig Hilfsbedürftigen. Koordiniert Eure Farben, Leute. Setzt Akzente. Wie schwer kanns denn sein. Wer grüne Handtücher hat, stellt ein paar grüne Kerzen ins Bad. Eine rot-weiss karierte Tischdecke geht mit roten Topflappen. Und dann – ganz wichtig – der Duft. Die Küche riecht, bitte schön, immer nach frisch gebackenen Schokoladen-Biscuits. Echt oder aus der Spraydose.

Wednesday, January 16, 2008

Nachricht von Gott


Zuerst haben die Hunde angegeben, wie immer, wenn Fremde vor meinem Tor aufkreuzen. Aber sie sind so schnell besänftigt, dass ich erst fast nicht rausgehe, um zu sehen, über was sie sich aufregen. Schliesslich melden sie abends immer, wenn Kojoten rumlungern. Aber da sind keine Kojoten. Vor dem Tor steht ein Auto und zwei junge mormonische Missionare, wie man an ihren Anzügen und den typischen Namensschildern sofort erkennt. Der Grössere von beiden streckt seine Arme durchs Tor und spielt mit den Hunden. Soviel zum Thema Wachhund. Ich gehe auf sie zu. Ich bin Elder Jarman und das ist Elder Christiansen, stellen sie sich vor. Dürfen wir Ihnen eine Nachricht von Gott überbringen und Ihnen von unserem Glauben erzählen? Ich habe schon einige nette Mormonen getroffen, sage ich, solche, die noch in der Kirche sind und solche, die ausgestiegen sind, dann kommt mal rein. Sie sind froh, dass ich ihnen nicht die Tür vor der Nase zuschlage. Als sie auf dem Sofa sitzen, sage ich ihnen, dass glaubenstechnisch bei mir nichts zu machen sei. Sie geben mir trotzdem Informationsmaterial, aber sie sind angenehm unaufdringlich. Ihr seid vielleicht mutig, sage ich, hier draussen einfach so an alle Türen zu klopfen. Ja, lachen sie, man lernt einiges, über andere und über sich selbst. Nach ein paar Monaten kann auch der Scheueste von uns mit allen Leuten reden. Zwei Jahre werden sie hier in der Gegend missionieren – bis sie 21 Jahre alt sind, dann will Elder Christiansen (rechts) Kampfflugzeug-Pilot werden, und Elder Jarman will Schreiben. Ich schreibe, sage ich und merke, dass ich eine Kolumne auf dem Sofa sitzen habe. Sie lassen sich gern fotografieren. Bevor sie gehen, versichern sie mir x-mal, dass ich sie anrufen soll, wenn ich was für sie zu tun hätte – Reparaturen, Gartenarbeit, wir steigen gern mal aus unseren Anzügen. Sicher? Sicher. Mhm. Selbstlose Nächstenliebe – da hingegen glaube ich ja fest dran.

Wednesday, January 9, 2008

Kirchgang


OK, ich weiss, dass dieses Bild zu wünschen übrig lässt. Aber ich war beschäftigt, muss ich zu meiner Entschuldigung anfügen. Mit Tanzen beschäftigt. Eine Kamera und Tanzen, das bringt nichts. Wenigstens kriegen Sie einen Eindruck von meinem sonntäglichen Kirchgang mit Freunden. “Zur Kirche gehen” nennen wir Einheimischen das, wenn wir am Sonntagabend nach Pioneertown hochfahren, in der Westernbar Pappy & Harriets ein Steak essen und dann da das Tanzbein schwingen. Die Bar ist unter Musikern weit über Kalifornien hinaus bekannt und beliebt. Am Sonntag spielen da immer die Thriftstore Allstars – eine aus lokalen Musikern zusammengesetzte Band, die es aus allen Himmelsrichtungen hier in die Mojave verschlagen hat. Einige davon, wie zum Beispiel Victoria Williams, spielen immer mal wieder mit grossen Namen. Gut sind sie alle, und zusammen sind sie so richtig gut. Meist zwängen sich sieben bis acht Musiker auf die kleine Bühne, aber wenn grad jemand wie Robert Plant in der Stadt ist, können es auch mal mehr sein. Ab gehts immer. Und alle sind dabei, das ganze weite Spektrum der Bevölkerung hier oben, von jungen Freaks bis zu alten Hillbillies, von toupierten Damen bis zu rausgeputzten Teenie-Girls. Wenn die Allstars loslegen, bleibt niemand lang auf seinem Stuhl kleben. Eine sitzt schon gar nie ab. Ausgelebte sechzig Jahre alt dürfte sie schon sein, die Dame, und sie tanzt sich vom ersten bis zum letzten Moment die Hacken ab, und zwar gut. Ab und zu greift sie sich einen jungen Mann zu einem ausgelassenen Tänzchen, aber die Männer haben meist weniger Durchhaltevermögen als sie. Im Mitsingen ist sie weniger gut, aber das stört niemanden, und wenn sie mit dem Trinkgeldkübel der Band rumgeht, macht jeder ein paar Dollar locker. So ein vergnügter, vertanzter ökumenischer Gottesdienst der etwas andern Art macht für die ganze Woche beschwingt. Die Thriftstore Allstars sind uns allen heilig.

Thursday, January 3, 2008

Fehlstart


Da steh ich doch am letzten Tag im Jahr an der Tankstelle in Twentynine als ein grosser, weisser Jeep neben mir angebraust kommt und die dunklen Scheiben runtergefahren werden. Können Sie mir helfen, schreit eine schrille Frauenstimme enerviert. Ich gehe auf den Jeep zu und sehe eine überschminkte Dame im Fahrersitz und ein paar gelangweilte Teenager in den andern Sitzen rumlümmeln. Ich muss nach Las Vegas und ich hab mich verfahren, sagt sie, dieses Ding hat mich hierhergelotst von Big Bear, da bin ich doch falsch hier, oder? Sie zeigt wütend auf ihr eingebautes GPS. Etwa siebzig Meilen ab vom Schuss, sage ich, aber Sie haben Glück, ich fahre nach Vegas zu meiner Familie, Sie können mir folgen, wenn Sie wollen, es geht drei Stunden quer durch die Mojave auf einsamen Strassen. Sie ist dankbar, aber als ich ihr sage, dass ich nicht rasen werde, will sie davon nichts wissen. Sie solle mir wenigstens bis zur richtigen Ausfallstrasse folgen, sage ich und erkläre ihr den Weg von dort aus. OK, sechs Meilen nach Amboy links abbiegen, dann rechts in Kelso und links in Cima, merkt Euch das, bellt sie die Teenager an, die nur mit den Augen rollen. Wollen Sie das vielleicht aufschreiben, frage ich. Nein, nein, falls ich es vergesse, hab ich ja noch das GPS. Genau, denke ich und schliesse meinen Tankdeckel, das hat ja beim ersten Mal schon hervorragend funktioniert. Als ich einsteige merke ich, dass der Jeep nicht mehr neben mir steht. Ich sehe gerade noch die Rücklichter, weit vorne auf dem Highway. Auf dem falschen Highway – östlich statt nordöstlich, was in der Weite der Mojave ziemlich doof sein kann. Ich bin nicht dazugekommen zu sagen, dass es da weit und breit keine Tankstelle gibt. Kein Handy Empfang. Und kein Wasser. Soll ich der dummen Schnitte nun nachrasen, denke ich, um sie auf den richtigen Pfad zu bringen? Nein, also wirklich. Selber schuld. And A Very Happy New Year.