Tuesday, May 27, 2008

Totengräber


Und damit meine ich ausgraben, nicht eingraben. Schliesslich ist das hier Death Valley – es gibt keinen geeigneteren Ort, um nach Leichen zu graben. Es geht nicht um irgendwelche Leichen. Es geht um von Charles Manson und seiner Family verbuddelte Leichen. Der Manson Clan hat sich 1969 nach der Ermordung von Sharon Tate in Hollywood auf der unzugänglichen Barker Ranch verschanzt. Und seither gibt es Gerüchte, dass hier mehr Opfer verscharrt seien. Genährt worden sind sie in letzter Zeit von einem Hund namens Buster. Buster gehört Detective Paul Dostie, und Buster mag gewisse Stellen auf der Barker Ranch ganz besonders. I smell dead people, hat er gewedelt und Paul Dostie hat eine Schar von Experten gerufen, um das Gerücht ein für alle mal zu beerdigen oder eben nicht. Mein Ruf steht auf dem Spiel, wenn wir nichts finden, hat Dostie im Vorfeld gesagt. Und dann haben sie gegraben. Tagelang. Bei 37 Grad im Schatten, den es nicht gibt im Death Valley. Archäologen, Anthropologen und forensische Experten aus Utah haben sich mit Radar, Magnetometer, Laser und einem speziellen blauen Licht, das Knochen in grosser Distanz zum Leuchten bringt, ins Zeug gelegt. Die erste Patronenhülse, die gefunden wurde, erhöhte die Erwartungen. Das Ganze war ein gefundenes Fressen für die Medien, welche im Vorfeld und während dem Grossen Graben dauernd live dabei waren. Aber nach der ersten Patronenhülse war es lange still. Dann ein paar Knochen – die eines kleinen Tieres. Die vielen High-tech Spielsachen erwiesen sich als nutzlos. Sie haben zur allgemeinen Enttäuschung auch Ameisenberge, Rattennester, Wurzeln und magnetische Steine angezeigt. Auf Busters Nase wird sich so schnell niemand mehr verlassen. Und Rock Novak, der Besitzer eines kleinen Ladens in der Geisterstadt Ballarat, wird wohl auf seiner extra georderten Grosslieferung von Charles Manson T-Shirts sitzen bleiben. Viel Sand um Nichts.

Goldsucher


Der Mann, der in Twentynine Palms hinter diesem dicken Eisenzaun wohnt, hat eigentlich einen der besten Jobs in Kalifornien. Der Job ist das pure Gegenteil von Sich-hinter-einem-dicken Eisenzaun-verschanzen. Huell Howser ist von Beruf neugierig, und er ist eine Institution. Er reist in Kalifornien umher, trifft Leute, schaut sich Kuriositäten an, spürt Geschichten auf, die noch kaum einer vorher aufgespürt hat und erzählt die am öffentlich-rechtlichen Fernsehen (tja, sowas gibts hier auch). Mit Sensationsmache hat das nichts zu tun. Ganz im Gegenteil. Die Sendung ist mit einfachsten Mitteln produziert und so schnörkellos, dass sie schon fast wieder hip ist. “California Gold” heisst sie und ist mit ihrer mittlweile siebzehnjährigen Laufzeit das längste und flächendeckendste, was je über Kalifornien produziert wurde. Huell Howser klettert sowohl zum weltbekannten Hollywood-Schild hoch in den Hügeln über, well, Hollywood, er besucht einen Friedhof, auf dem viele berühmte Filmtiere begraben sind, er portraitiert ein baskisches Restaurant in Bakersfield, mitten in der Mojave und er unterhält sich mit einem alten Mann, der sein Leben der Restauration von Photoplayern verschrieben hat – automatisierte Orgeln, die Stummfilme weniger stumm machten. Jedem Thema widmet er eine halbe Stunde. Huell Howser hat seinen eigenen Charme. Manchmal ist seine begeisterte Art nicht auszuhalten – alles interessiert ihn gleich und gleich intensiv. Und trotzdem schaue ich ihm immer wieder zu und weiss nicht, ob ich ihn schmalzig oder ein interessantes Unikum finde. Was er sicherlich ist - echt. Darum verzeihe ich ihm auch immer wieder, dass er scheinbar unvorbereitet drauflos plappert. Wenn ich das mit meinen Kolumnen machen könnte. Na ja, vielleicht finden Sie ja, dass ich das genauso tue wie Huell Howser. Hilfe, bin ich etwa schmalzig? Jedenfalls habe ich keinen Eisenzaun, er mir die Aussicht verdeckt.

Thursday, May 15, 2008

Dollarschwäche


Nun kommen sie wieder in Scharen, die Ausländer. Vergessen sind die Schwüre, dass man während der Regentschaft von George W. Bush keinesfalls amerikanischen Boden betreten werde. Vergessen die Verachtung vor dem amerikanischen Marken-Imperialismus. Wenn die Marken billig genug zu erstehen sind – wer kümmert sich dann schon um Weltanschauliches. Rein gar niemand, muss ich annehmen, wenn ich bei den Outlet-Stores vorbeifahre, die kurz vor Palm Springs mitten in die Wüste gebaut sind. Outlet-Stores sind Markentempel, die etwa hundert Meilen ausserhalb der grossen Metropolen an den wichtigen Ausfallstrassen aus dem Bodem spriessen und die Reisenden von ihrem Weg abbringen, ohne die viel teureren Läden in den Städten zu konkurrenzieren. Calvin Klein, Ralph Lauren, Levi’s, Kenneth Cole, DKNY, aber auch Prada, Armani und Gucci sind vertreten, um nur ein paar wenige zu nennen. Das Mecca der Shopping-Touristen aus aller Welt hat trotz Rezession Hochkonjunktur. Ganze Busladungen voll Markenhungrigen werden von Los Angeles hier rausgefahren, alle mit dem grossen Portemonnaie bewaffnet. Speziell die Europäer finden nun alles billig. Spottbillig. Ich habe zwei Arten von europäischem Besuch. Diejenigen, die viel kaufen und diejenigen, die sehr viel kaufen. Letztere sind oft diejenigen, die sich erst zieren und dann spezielle Schubkraft entwickeln, wenn ich ihnen sage, wer unserer gemeinsamen Freunde hier wieviel eingekauft hat und dass ich beispielsweise für neue Adidas-Turnschuhe nie mehr als 30 Dollar ausgebe. Wenn die Schamgrenze mal überwunden ist, zieht es auch den shopping-resistentesten Männern den Prada-Ärmel rein. Dass man letztendlich mehr ausgibt, wenn’s billig ist, scheint niemanden zu stören. Auch mich nicht - ich begleite meine europäischen Freunde gern auf ihre Einkaufstouren. Vor lautem schlechtem Gewissen ob ihrem Kaufrausch, springt oft auch noch ein Geschenk für mich ab.

Friday, May 9, 2008

Wo wohnen Sie?


Da wollte ich Ihnen doch den Bären aufbinden, dass ich im Saloon mit dem reizenden Namen “Bucket of Blood”, Kübel voll Blut also, das Tanzbein geschwungen habe. Aber den Saloon gibts nicht mehr in Holbrook, Arizona und demzufolge taugt er auch nicht als Kolumnenfoto. Nur das Strassenschild zeugt noch von der wirklich wilden Wildwest-Vergangenheit der Gegend. Seit ich es gesehen habe, wünsche ich mir, ich könnte, die Frage nach meiner Adresse mit “6905 Kübel voll Blut” beantworten. Wenn das kein Konversations-Kickstart ist. Aber eben. Der aufgebundene Bär hätte sich auch nur den Namen des Saloons bezogen, ich schwörs, nicht auf die Tatsache, dass ich wirklich und leibhaftig in einem Saloon den Arizona Two-Step gelernt habe, nicht zu verwechseln mit dem Texas Two-Step, obwohl mir niemand sagen konnte, wie sich die zwei Western-Tänze unterscheiden. Eines Sonntagmorgens hatte mich mein Freund Mitch angerufen und mir aufgeregt erzählt, dass er am Vorabend in einem Saloon die Arizona Two-Step Championship und 100 Dollar gewonnen habe. Ich wusste zwar, dass er gern tanzt, aber nicht, dass er gut tanzt und an Wettbewerben teilnimmt. Das musste ich sehen und liess mich ausführen. Zuerst tanzte er mit einigen Damen vor wie’s geht. Ich war begeistert. Da waren überhaupt viele, die so richtig gut waren. Was mir besonders gefiel: sie waren alt, jung, dünn, dick, schön und weniger schön und es spielte keine Rolle. Alte Rednecks und junge Skater schoben und drehten ihre Girls zu den Countryhits des Tages - was der Tanzboden hergab. Es zählte nur, wer den richtigen Hüftschwung und Spass hatte. Dann war ich an der Reihe. Ich bin der Mann, ich führe, musste Mitch ein paar Mal dezidiert sagen, als ich, schwindlig von den vielen Drehungen, in meinem eigenen Rhythmus in die falsche Richtung davontanzte. Dirty Dancing, erste Lektion. Nur ein ganz klein bisschen weniger grazil und ein paar Jahre älter. Who cares.

Dann halt nicht


Ich habe Platz. Viel Platz und viel Sonne. Also liegt der Gedanke nah, beides zu nutzen und ausser Kakteen noch etwas anderes, Essbares anzupflanzen. Dachte ich zumindest. Das muss gehen, auch wenn der Boden sandig ist. Schliesslich serviert das Twentynine Palms Inn hervorragendes Gemüse aus eigenem Anbau. Der Garten liegt hinter dem Hotel, gleich neben der Oase. Papiertüten dienen als Vogelscheuchen. Der Garten ist nach Chemehuevi Prinzipien angelegt, dem Indianerstamm, der hier ursprünglich ansässig war. Und die müssen was von Gartenbau in der Wüste verstanden haben. Nicht wie ich, denn bei mir geht gar nichts. Oder wenigstens nicht lange. Erst habe ichs mit Küchenkräutern versucht. Schnittlauch, Basilikum, Rosmarin. Rosmarin ist das einzige, was übrig geblieben ist. Den fressen die Hasen nicht – leider, muss ich schon fast sagen, denn der wuchert nun wie Unkraut. Aber roh würde ich Rosmarin auch nicht knabbern wollen – zu strauchig im Geschmack. Auch mein Neuanbau in Töpfen auf der Mauer rund um die Veranda hat nicht lange funktioniert. Da kamen zwar die Hasen nicht ran, dafür aber die Mäuse, was ich als persönliche Beleidigung genommen habe. Danach habe ich eine grosse Kiste gebaut, rund um Salat, Kürbis und Zucchini, und mit Netzen abgedeckt. Netze, die für alle Nager weit und breit eine perfekte Hangel dargestellt haben. Dann bin ich für ein paar Tage weggefahren und habe vergessen, dem Nachbarsjungen zu sagen, er soll wässern. Was noch nicht abgefressen war, war danach verdörrt. Man soll dem Land nichts aufzwingen, was da nicht sein will, habe ich mich über meinen fehlenden grünen Daumen hinweggetröstet. Dabei hatte ich mir das so schön vorgestellt, wie ich in der Abendbrise eine riesige Schüssel Salat ernte und mit Freunden auf der Veranda sitze, während das Steak auf dem Grill brutzelt. Nun fahre ich halt in der Abendbrise zum Supermarkt und kaufe den verdammten Salat.