Tuesday, October 23, 2007

Endlich, Sahara


Die Mojave Wüste ist offenbar anders als man sich das vorstellt, wenn man noch nie hier war. Max ist enttäuscht. Darüber, dass es überhaupt Vegetation hat rund um mein Haus. Und dass der Sand nicht – Sand ist, wie er sagt. Wie würdest du denn dem sagen, frage ich und strecke ihm eine Handvoll von dem Zeug entgegen, dass ich soeben vom Boden aufgehoben habe. Ich weiss, auch nicht, Sand jedenfalls nicht, sagt er, da hats noch kleine Steine drin. Hat der gesehen, wie es gestäubt hat, als wir die “Sand”-Strasse hochgefahren sind? Aber er will sich nicht von mir überzeugen lassen. Sand verbindet er mit dem Feinheitsgrad, den er an den Sandstränden der Malediven kennengelernt hat. Und den will er hier auch sehen. Sonst hat er kein Wüsten-Feeling, wie er meint. Was ist das denn, frage ich. Sonne, Sand, Sahara halt. Aha. Sahara. Da hätte ich doch gerade das richtige für dich, sage ich. Anderthalb Stunden von meinem Haus entfernt sind die Kelso Dünen, da fährst du morgen hin, sage ich. Dann ist mal Ruhe im Stall, denke ich. Die Kelso Dünen sind eine 115km2 grosse Sandablagerung inmitten des Mojave Naturschutzgebietes – extrem feiner Sand, meist Quarz und Feldspat, und Teil eines viel grösseren Erosion-Transportsystems, das vom ausgetrockeneten Mojave River Bett bis zum nahegelegenen Devil’s Playground im Death Valley reicht. Die Kelso Dünen bestehen aus fünf übereinandergeschichteten Dünen, die sich alle in den letzten 25 000 Jahren, je durch klimatische Veränderungen, geformt haben. Wie jemand sowas rausfindet, ist mir ein Rätsel – es ist einfach Sand, um Himmelswillen. 200 Meter hoch ragen die Dünen über den Wüstenboden und Max braucht zwei Stunden um hochzuklettern. Und eine halbe Stunde, um runterzugleiten. Und weil die Kelso Dünen singende Dünen sind, die beim Runtergleiten ein niederfrequentes Grollen von sich geben, findet Max die Mojave nun doch noch toll. Sonne, Sand, Sahara, Singen halt.

Friday, October 19, 2007

Was ich mag


Wie kommt es eigentlich, dass Kunst nicht veraltet? Einfach, werden Sie sagen, gute Kunst veraltet nicht. Ich finde es trotzdem erstaunlich, dass mich Bilder, die mich seit zwanzig Jahren begleiten, nicht ab und zu mal langweilen. Eines davon ist die erste Arbeit, die ich je gekauft habe – eine Zeichnung von Silvia Bächli. Sie zeigt übereinander geschlagene Frauenbeine in Ballerinas und hängt in meinem Schlafzimmer inmitten der Mojave. Vor fünf Jahren habe ich für eine Weile in Venice einen Kunstraum unterhalten, wo ich für jede Ausstellung junge Schweizer Künstler mit jungen, in Los Angeles ansässigen Künstlern gepaart habe. Das war schön und erfolgreich, bis das Geld ausging. Manche der Künstler haben mir am Schluss der Ausstellung eine Arbeit geschenkt – auch ein netter Weg zu einer kleinen Sammlungserweiterung zu kommen. Auch diese Werke hängen nun hier in der Wüste. An was ich mich in den letzten Jahren nicht habe sattsehen können, sind Paul Hadleys Photografien. Hadley hat ein paar Ausstellungen gehabt, aber er ist noch nicht gross bekannt. Er hat keine Kunstschule besucht. Hadley photografiert viel in der Wüste, aber nicht nur. Verlassene Häuser im Nichts, Autos, die durch die Dämmerung schleichen, Menschen, Wüstengestalten. Ich mag, was Paul Hadley sieht. Und ich mag, was er mir vorenthält. Wie spährlich kann visuelle Information sein, dass das Hirn die fehlenden Teile noch einfüllen kann? In seinen stärksten Bildern wird das Nichtsehen zum Wissen. Ich weiss, dass dieses Haus in der Mojave steht (und nicht weil Hadley es mir gesagt hat, come on). Sehe ich es, kann ich das Wissen an einem Punkt festmachen? Nein. Hadleys Bilder sind nicht bearbeitet. Er fängt den perfekten Grad an Flüchtigkeit in dem Moment ein, wo er gerade schon wieder vorbei ist. Vielleicht hat es mit einer Wüstensicht der Dinge zu tun, mit flirrender Hitze. Ach, ich weiss doch auch nicht. I just love it.

Wednesday, October 10, 2007

Sammelwut


Eigentlich will ich sie alle. Von Beginn an, alle. Aber dann müsste ich anbauen. Und finanzkräftiger sein. Viel finanzkräftiger, dann die alten Pendleton Indianer-Wolldecken sind hoch gehandelte Sammlerstücke. Acht Stück besitze ich, und die meisten davon sind nicht alt. Aber die kräftigen Farben und wunderschönen grafischen Muster sind teilweise die gleichen geblieben. Der Begriff “Indianerdecke” ist irreführend. Es sind nicht Decken, die von den Indianern gemacht werden. Pendleton Decken werden seit anfang 1900 von Weissen für die Indianer und nach indianischen Mustern gemacht. Die Erfindung und weitere Verbreitung der Jacquard-Technik hat es möglich gemacht, komplizierte Muster sowohl maschinell wie doppelseitig zu weben. Verschiedene Wollmühlen haben für den indianischen Markt zu produzieren begonnen. Keine hat es so gut gemacht wie diese in Pendleton, Oregon. Nicht nur war ihre Qualität besser als die der andern, ihre Marketing Kampagne hält auch heutigen Standards stand. “Marktforscher” wurden zu den verschiedenen Reservaten geschickt und Kundenwünsche und Gewohnheiten erfragt. Broschüren wurden gedruckt, die Abbildungen von Stammeshäuptlingen in Pendleton Decken eingewickelt zeigten. Vor allem auch den Navajos, anzahlmässig der grösste Stamm, sind die Decken schnell lieb geworden. Die dicke Wolle schützte vor den kalten Nächten auf der Hochebene New Mexicos und Arizonas viel besser als die handgewobenen Decken, die sie bis anhin kannten. Und die Muster und Farben gaben was her. Pendleton Decken sind innert kürzester Zeit zum indianischen Statussymbol avanciert und haben ihren Platz in Stammesritualen gefunden. Auch heute noch symbolisiert die Decke als Geschenk Freundschaft, Dankbarkeit und Respekt. Und davon kann man ja nie zuviel haben, denke ich und studiere schon mal prophylaktisch den Katalog. Da gäbs schon noch einige, die ich mir schenken lassen würde.

Wednesday, October 3, 2007

Zu früh gefreut


Da man in diesen Gefilden hier im allgemeinen halbvolle Gläser sieht und nicht halbleere, redet man vom Wetter, wenns perfekt ist und nicht dann, wenn sich der Gang vor die Tür anfühlt, wie wenn man als eingefettetes Huhn in einen stundenlang vorgeheizten Backofen gesteckt würde. Ist es nicht grossartig draussen, sagt Wendy an der Supermarktkasse und zieht selbst die schweren Waren beschwingt am Barcode-Scanner vorbei. So sollte es immer sein, findet Jerry und fuchtelt mit dem Schraubenschlüssel in seiner ölverschmierten Hand dem Himmel entgegen. Das Lösen meiner Radschraube bringt ihn trotzdem ins Schwitzen. Wieder mal Truck-Trouble – diesmal Plattfuss. Und weil es tatsächlich so perfekt ist draussen, mache ich mich zu einem langen Marsch auf. Die Hunde müssen mal wieder richtig ausgelüftet werden. Dann bleiben die losen Haare, die sie um diese Jahreszeit verlieren, hoffentlich draussen an den Kakteen hängen und nicht auf dem Wohnzimmerteppich. Staubsaugen ist schliesslich nicht meine Passion. IPod ins Ohr und ab gehts – Devendra Banhart hat eine neue CD – perfekt. Es ist bereits zehn Uhr morgens, herrlich, dass man Aussenaktivitäten nicht mehr auf Randzeiten verschieben muss wegen der Hitze. Ich laufe los, höre Musik, freue mich über den Herbst, der schon zu spüren ist. Aber eben noch nicht richtig da ist. Nach einer halben Stunde mag auch Devendra nicht mehr drüber hinweg zu täuschen, dass ich Bäche schwitze. Und dass ich ohne Wasserflasche losgelaufen bin. Die Hunde legen sich auch schon mit hängender Zunge unter jedes Zweiglein, dass Schatten verspricht. Fünf Jahre in der Wüste und kein bisschen weiser – ohne Wasser loslaufen – ich fasse es nicht. Ich kehre um und komme kaum vorwärts. Frühstuck hatte ich auch keins, was nun auch nicht weiter hilft. Ich schleppe mich mühselig und langsam wieder nach Hause. Es dauert ewig, und mir ist übel, als ich ankomme. So schnell gehts.