Wednesday, March 31, 2010

Trailer Trash


Nun bin ich also offiziell auf unterstem Wüstenniveau angekommen: ich habe einen Trailer im Garten stehen. Du bist ja so Trailer Trash, sagt mein Nachbar Kurt und meint es netterweise ironisch, denn die Bezeichnung ist alles andere als schmeichelnd. Trailer Trash ist der wenig respektvolle Ausdruck für eine weisse Person, die in einem Wohnwagenpark wohnt und sich durch schlechte Hygiene, schlampige Kleidung, raue Sprache und allgemeine Beschränktheit auszeichnet. Mittlerweile brauchts den Wohnwagenpark nicht mehr, um dem Ausdruck Genüge zu tun – allgemeines Schlampentum in all seinem ganzen Facettenreichtum reicht durchaus. Da ich nun aber eben besagten Trailer im Garten stehen und mich selber schon als Wüstenschlampe bezeichnet habe, halte ich kurz zur Eigenüberprüfung inne. Zählt das gelegentlich fettige Haar als schlechte Hygiene? Nicht wirklich. Die Jogginghose den ganzen Tag zu tragen und sie dann womöglich nachts anzubehalten, spricht nicht für mich, auch wenn das nur in fleissigen und nicht in faulen Phasen vorkommt. Raue Sprache? Aber nein, ich doch nicht. Gelegentliche Direktheit kann sich schon ergeben – nur provoziertermassen, ich schwörs. Also doch kein Trailer Trash – wenn da nicht der Trailer selbst wäre. Ich hüte ihn für meine Freundin Jamie, die mir versprochen hat, sie würde das Ding bald zum Juwel herrichten. Was ich unter bald verstehen muss, habe ich dummerweise nicht gefragt, als ich zur Zwischenlagerung einwilligte. Nun können auch die pittoresk, extra für Sie hindrapierten Klappstühle nur gerade aus diesem Winkel über die Tatsache hinwegtäuschen, dass hinter dem Trailer dessen alter Herd und eine Spühle stehen. Die unvorteilhafte Seite ist denn auch diejenige, die man vom Eingang her sieht. Das hatte ich leider bei der Lieferung nicht bedacht. Und wenn so ein Teil erst mal im Sand steht, gibts daran leider von Menschenhand nichts mehr zu rütteln.

Ich gehe fremd


Von allen Fotos, die ich letzte Woche in New Orleans gemacht habe, gefällt mir dieses hier besonders. Blah, blah New Orleans – wer’s glaubt, sagen Sie vielleicht. Vertrauen ist alles, sage ich, das Foto wurde im Croissant d’Or im French Quarter aufgenommen. Ich habe viel fotografiert in dieser Stadt, Häuser hauptsächlich und ich konnte mich nicht für ein einzelnes Bild entscheiden - New Orleans hat immer auch was mit Fülle zu tun. Die Phantasie ist mit mir durchgegangen. Ich hab mich in viele Häuser verliebt – gross, klein, alt und noch älter. Und ich hab mich in diese Stadt verliebt. Gefällt mir die Wüste nicht mehr? Nein, damit hat das nichts zu tun. Mir gefällts an so vielen Orten gleichzeitig. Und ich mache immer sofort den Sprung – wie wäre es, hier zu leben? Könnte ich nochmal neu anfangen? Will ich nochmal neu anfangen? Ich vermute, dass es jedes Mal einfacher wird, umzusiedeln und einen neuen Ort zu entdecken –gerade, weil ich es schon einmal gemacht habe und es bis heute eine gute Erfahrung geblieben ist. Von der Wüstenhitze und der Angst vor Feuern zur viel schlimmeren tropischen Hitze und der Angst vor Hurricanes? Ich hab sie wohl nicht alle, überhaupt darüber zu phantasieren. Und trotzdem. New Orleans ist so ziemlich das Gegenteil von der Mojave: bunt, laut, vielfältig, und eben nass. Ich weiss nicht, woher ich da die Zeit zum Arbeiten nehmen würde. Im Geiste findet nur Rumspazieren statt, Kaffee trinken, Musik hören, in einem lauschigen Stadtgärtchen lesen und die heissen Nachmittagsstunden überstehen. Sechs Monate feucht-heiss sei es da, sagen meine Freunde. Ach was, halb so schlimm, ich wäre ja damit beschäftigt, mein nicht-existentes Haus einzurichten… Halt, feucht-heiss… da war doch noch was. Mücken, genau. Die gibts in der Wüste glücklicherweise nicht. Und da Mücken mich besonders gern mögen und die Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruht, bleibe ich doch am besten, wo ich bin.

Wednesday, March 17, 2010

Stammtisch-Niveau


Oh, boy. Nun hacken sie wieder. Plötzlich klingelt meine Email-Inbox im Minutentakt vor sich hin. Und da ich mich dankbar auf jede Ablenkung von der Arbeit stürze, fange ich sogleich an zu lesen. (Man könnte ja auch das Email Programm schliessen während der Arbeit, hat meine strenge Schreibdomina Freundin M. gesagt. Ja, habe ich gesagt. Und es nicht gemacht.) Also kriege ich in Echtzeit mit, wie sich die Umweltschützer hier oben über ein Email-Forum ein Duell liefern. Sie erinnern sich veilleicht – ich habe auch schon mal darüber geschrieben, dass hier ein Super-Walmart gebaut werden soll. Bis jetzt konnte das von einer Umweltorganisation, die sich für die Konservierung von pristinem Land hier oben einsetzt, verhindert werden. Vor allem, weil sie glaubhaft machen konnten, dass die vom Gesetz verlangte Umweltstudie über die Auswirkungen eines solchen Riesen-Shopping Centers absurd ungenau war und von falschen Voraussetzungen ausging. Dann hörte man lange nichts und ich hatte schon gehofft, dass Walmart seine Baupläne wegen der schlechten Wirtschaftslage aufgegeben hatte. Und dann der Email-Krieg aus dem Nichts aufgrund der Information, dass Walmart, gerichtlich verfügt, besagter Umweltorganisation 120 000 Dollar bezahlen muss und dafür bauen darf. Nun sind 120 000 Dollar für Walmart etwa so, wie wenn Ihnen und mir ein halber Einräppler aus der Tasche fällt und wir uns überlegen, ob wir uns überhaupt bücken sollen. Aber, wie immer in diesen Fällen, war die Abfindung und somit der Streitpunkt nur ein klitzekleiner Teil eines viel grösseren und komplizierteren legalen Geflechts. Mittlerweile ist klar: Walmart muss das Geld zahlen, ob sie bauen oder nicht. Ob sie bauen können, ist immer noch nicht klar. Und der Leiter der Umweltorganisation fühlt sich von seinen Mitkämpfern logischerweise auf den nicht existenten Schlips getreten. Wie gesagt, Stammtisch. Einfach auf einem andern Kanal.

Hölle auf Rädern


Wenn du Landei dann mal wieder die Wüste verlässt und in die Stadt kommst, nehme ich dich zu einem Rollerderby mit, hatte meine Freundin Madeleine seit langem gesagt. Landei – ich? Eine Frechheit. Ich hatte zwar keine Ahnung, was ein Rollerderby ist, aber letzten Samstag war es soweit. Am Tag zuvor musste ich Hausaufgaben machen und mir Whip It ansehen, ein relativ neuer Film, bei dem Drew Barrimore Regie geführt hat und bei dem es eben um Rollerderby geht, oder Hell on Wheels wie ich es auch schon beschrieben gekriegt habe. Ich war also mit einem Grundwissen ausgestattet, als wir in ein grosses Lagerhaus traten, in dem ein Rollerderby-Ring aufgebaut war, der wie eine kleine Velorennbahn aussah – nur eben für Rollschuhe. Seit ein paar Jahren ist Rollerderby in Los Angeles wieder äusserst populär. Das war es in den Siebziger Jahren schon mal und eine gewisse Punk Attitüde ist definitiv auch heute noch spürbar. Die Girls sind hart im Nehmen, die da gegeneinander antreten. Und obwohl Rollerderby ein ernsthafter Sport ist, ist der Spass-, Lifestyle- und Selbstironie-Faktor mindestens so wichtig. Das war er auch fürs äusserst gemischte Publikum. Punk Rocker, Latino Familien, Hippie Girls, Disco Boys, und das ganz normale Sportpublikum – alle waren gekommen, um die die Los Angeles Derby Dolls gegen die San Diego Derby Dolls antreten zu sehen. Beide Teams schicken je fünf Fahrerinnen gleichzeitig in den Ring, acht davon bilden das Feld. Die zwei andern sind Angreiferinnen, die versuchen müssen, möglichst viele Fahrerinnen des gegnerischen Teams zu überholen. Da wird gerempelt und geblockt und Stürze gibts zuhauf. Aber es macht Spass zuzuschauen, vor allem weil die Girls mit Namen wie Krissy Krash, Lace N’ Arsenic und Jackie Daniels nicht nur Rollschuhfahren können wie der Teufel, sondern ihrer Rolle als knallharte Punk Gören freudig gerecht werden. Teilweise mit Netzstrümpfen und vollem Make-up.

Friday, March 5, 2010

Frühjahrsputz


Von einem Tag zum andern war Schluss. Den ganzen Winter hatte ich zugeschaut, wie die Hunde schmutziger und schmutziger wurden. Das rotbraune Kurzhaar wurde zu einem stumpfen beigebraun. Das schwarze Langhaar zu einem matten sandgrau. Sie wie üblich im Garten mit dem Schlauch abzuspritzen und zu shamponieren lag nicht drin. Für die Hunde nicht und für mich nicht. Der Winter war zu streng. Mir wären die Finger einfroren ob dem kalten Wasser. Und den Hunden so ziemlich alles, wenn sie draussen im kalten Wasserbad hätten stehen müssen. Der Hundesalon in Twentynine Palms hatte vor ein paar Monaten dicht gemacht. Es gab offenbar nicht genügend Leute, die sich noch einen Hundecoiffeur leisten konnten. Die schlechte Wirtschaftslage machte sich also auch bei den Wüstenhunden bemerkbar, aber da deren Fell ja eh nie der Inbegriff von seidener, städtischer Gepflegtheit war, fiel das nicht weiter auf. Von weitem wenigstens nicht. Aber aus der Nähe - ich täschle partout nicht gern etwas, was der Konsistenz einer klebrigen Teppichmatte ähnelt. Und trotz der Trockenheit in der Wüste, die das Ärgste verhindert, rebellierte auch meine Nase je länger je mehr. Da musste mal wieder Tabula Rasa gemacht werden. Auf dem Highway hatte ich im Vorbeifahren diesen gelben Wagen gesehen und mir sogar die Nummer merken können. Brenda kam, sah und kämpfte. Drei Stunden lang wurde gewaschen, geschoren und geschnitten. Luxuriöse Vorzugsbehandlung, dachte ich – zu den Hunden kommen die Profis nach Hause während ich mit meine Haare oft selber schneide. Brenda hatte es besonders gut gemeint und den beiden als Zeichen geleisteter Dienste noch je ein Halstuch umgebunden, wie wenn man den Unterschied von vorher zu nachher sonst nicht bemerkt hätte. Aber das liessen die beiden nicht auf sich sitzen. Kaum hatte sie ihr Vehikel gewendet, waren die Tücher auch schon weg. Was denkt die, wer wir sind. Viel zu affig für eine richtigen Wüstenhund.