Saturday, January 30, 2010

Sand unter


Der Dachdecker ist mein neuster bester Freund. Das dachte ich wenigstens, als er vor dem grossen Sturm angefahren kam, mit einer grossen Silikonpistole aufs Dach stieg und das Gröbste richtete. Regenstürme waren vorausgesagt worden und die TV Wetterfrösche zu Hochform aufgelaufen. El Ninjo, soviel Regen wie noch nie, Tornadowarnungen, blahblahblah, wird nur halb so wild sein, dachte ich, aber ich lass das problematische Dach sicherheitshalber mal anschauen. Falls es hält, schicken Sie mir einen Check über 150 Dollar. Ansonsten komm ich wieder. Dann kam alles so wie vorausgesagt und schlimmer. Zwei Tagen Dauerregen hielt das Dach besser stand als die Sandstrasse, die zu meinem Haus führt. Sie floss schlicht und einfach davon. Während einer kurzen Regenpause am dritten Tag fuhr ich zum Grosseinkauf und war froh, in meiner Strasse, sprich Bachbett, nicht steckenzubleiben. Danach gings erst richtig los. Im Berg hinter dem Haus formte sich ein lauter Wasserfall, den ich gern für Sie fotografiert hätte, wenn ich mich nicht gefürchtet hätte, entweder überspült oder von sich plötzlich lösenden Steinen überrollt zu werden – eine Angst, die nicht unbegründet ist. Vor ein paar Jahren hat man während monsoonartiger Regenfälle ein Auto mitsamt toter Insassen zwanzig Meilen weiter weg gefunden – weggespült von einem reissenden Bach, auch Flashfloods genannt. Das Schöne am vielen Wasser wird in ein paar Monaten zum Vorschein kommen – prachtvolle Wildblumenteppiche in allen Farben. Das weniger Schöne etwas später: die ausgetrockneten Wildblumenteppiche liefern dort, wo sonst nur Sand ist, den gefrässigen Feuern ihr Futter, sprich Lauffeuer. Nach einer Woche Extremwetter in Südkalifornien ist jetzt gerade alles so sonnig wie es sich gehört. Aber der Dachdecker, der ist nicht mehr mein Freund. Riesige, wüste gelbe Flecken an meiner Wohnzimmerdecke zeugen von unserem Break-up. Scheiss Silikonpistole...

Wednesday, January 20, 2010

Zugespitzt


Krieg in Wonder Valley - dabei hätte doch alles so friedlich bleiben können, wie es mal gedacht war im Tal östlich von Twentynine Palms, wo Kojoten und Hasen sich Gutenacht sagen und Echsen und Schildkröten durch den heissen Sand schleichen. Aber da wühlt sich noch was anderes durch den Sand in Wonder Valley, welches offiziell zu Twentynine Palms gehört, aber infolge eines ausgeprägten Lokalpatriotismus separat genannt sein will. Es sind die Sandtöffs, welche die Natur mitsamt vieler der weitverstreuten Einwohner von Wonder Valley in Aufruhr bringen. Sandtöffs heissen natürlich nicht Sandtöffs, aber das gefällt mir, weil es gut mit Töfflibueb geht. Es sind aber nicht nur Jugendliche, welche hier mit Töfflibuebe-Mentalität ausgestattet sind, dem Geisteszustand (sofern das Wort Geist hier angebracht ist), der sich durch den Mix von Dümmlichkeit und Leichtsinn zwecks kurzfristigem und vermeintlichem Gewinn an Grösse und Wichtigkeit auszeichnet. Der Widerstand gegen die Off-Roaders ist in den letzten Jahren immer grösser geworden. Und offizieller: Off-Roaders dürfen nun nur noch auf bestehenden Sandstrassen gefahren werden – und fast alle Strassen in Wonder Valley sind Sandstrassen – nicht mehr in der offenen Wüste. Aber natürlich ist es die offene Wüste, welche den Off-Roadern ihr Freiheitsgefühl verleiht, darum hat man ihnen einen immerhin 700km2 grossen Sandkasten in Johnson Valley zugestanden, in dem sie nach Belieben spielen dürfen. Die übrigen 13 000km2 Wüste, für welche das Bureau of Land Management in Bastow zuständig ist, werden von sieben Rangern patroulliert, und Meldungen über Übertritte werden immer häufiger. Die eine Seite sieht in jeder Pneuspur den Untergang, die andere beschwert sich über die Wüstenutopisten und ihren Naturschutz. “Wir verlieren die Wüste und werden nun in diese kleinen Reservate gesteckt”, sagt ein Off-Roader, “wir fühlen uns langsam wie Indianer.” Lachhaft…

Streitpunkt


Früher war das Cowgirl ein sogenanntes Conversation Piece im Haus meiner Freunde Kristie und Harry – ein seltsames Stück, das immer wieder die komischsten Gespräche auslöste. Ist sie so jenseits, dass sie schon wieder cool ist? Ist sie einfach nur geschmacklos? Wie auch immer – sie wuchs einem ans Herz, wie sie da in der Ecke stand und den Dingen ihren Lauf liess. Es wäre wohl besser gewesen, sie hätte eingegriffen, kann aus heutiger Sicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Ihre lebendige Präsenz hätte die ersten Querelen zwischen Harry und Kristie mit einem Blick beenden können. Ein Aufstampfen mit dem Stiefel hätte die darauffolgenden tiefen Beleidigungen wenigstens mit einer Entschuldigung auszumerzen versuchen können. Und der Colt im Anschlag hätte hoffentlich zwei im Grunde anständige Menschen anständig bleiben lassen. Aber sie hat nichts von dem getan, die Gute in der Ecke, nur zugeschaut hat sie wie alles bachab ging. Und nun ist sie selber noch zum Zankapfel geworden. Nicht weil Kristie und Harry in sie vernarrt wären. Natürlich nicht. Es geht nur darum, dass der andere sie nicht kriegt. Das Cowgirl hats zum Symbolwert einer abhandengekommenen Ehe gebracht, aufgeladen mit Bedeutung, die dem Objekt der Begierde gar nie angestanden hat. Ich stelle mich zu ihr in die Ecke und versuche mich aus der Schusslinie zu halten. Ich will nicht wählen. Ich liebe beide Kriegsgegner zu sehr. Für mich hoffe ich, dass Kristie die Liebe zur Wüste nicht mit der zu Harry verliert. Sie ist ihm damals hierhier gefolgt und hat das Leben hier oben lieben gelernt. Ist das Wüstenleben zu einschneidend, zu definierend, um es nicht immer mit einer ausgetrockneten Liebe zu verbinden? Muss einer von ihnen nun weg? Platz gäbe es ja genug, dass man sich nicht immer über den Weg laufen muss. Ist die Wüste für zwei Feinde zu eng? Oder wandelt sich die einstige Freude über die Weite in absolute Verlorenheit?

Sunday, January 10, 2010

Das fängt ja gut an


Mein Sitznachbar schaut auf die Uhr. Das ist auch das erste Mal, dass ich in zwei Tagen pünktlich losfliege, sagt er. Es ist der 31. Dezember 2009, nachmittags um vier kurz vor Abflug von Phoenix, Arizona, nach Los Angeles. Hinten im Flugzeug stehen zwei circa 17 jährige Girls auf und zwängen sich mit Rucksack und Kissen unter dem Arm durch den Mittelgang nach vorne. Die eine redet leise aber eindringlich auf den Steward ein. Ich verstehe nicht, was geredet wird und bin leider trotzdem sicher, um was es geht. Ich hab sie auch gesehen, die drei jungen Freunde, zwei davon leicht nach Mittlerem Osten aussehend. Und ich habe den Gedanken sofort wieder verworfen. Zu westlich modisch gekleidet, zu sehr College Kids, zu entspannt. Obschon – das heisst ja alles auch nichts. Aber die zwei Girls wollen raus aus dem Flugzeug. Nun redet der Captain mit ihnen. Dann mit uns. Es bleibe ihm leider nichts anderes übrig, als uns alle aussteigen zu lassen, da sich nicht alle Passiere an Bord sicher fühlten. Als draussen im Terminal alles parat ist, werden wir raus gebeten. Polizei, Sicherheitsbeamte, Bombenspührhund. Ich werde nicht befragt, die drei Männer werden befragt. Ich sehe, dass sie kanadische Pässe haben. Man bleibt entspannt – die Sicherheitsbeamten, die jungen Männer, die andern Passagiere, obwohl’s da welche dabei hat, die nun ihre Anschlussflüge verpassen. Dann alle wieder Boarding Pässe herzeigen und rein. Diesmal schaffen wirs nicht ganz bis ins Flugzeug. Es müssten noch weitere Klappen untersucht werden, heisst es. Also wieder raus. Bombenspührhunde, Sicherheitsbeamte, Polizei usw. Nichts zu finden. Boarding Pässe wieder herzeigen und rein. Die Girls sind verschwunden. Ich hoffe, es sind nur die Leute hier, die auch wirklich hier sein wollen, sagt der Steward trocken. Applaus. Der Mann neben mir schaut auf die Uhr, als wir abheben. Am Fenster zieht ein riesiger Vollmond vorbei. Frohe Reise ins 2010.