Wednesday, December 30, 2009

Vogelfang


Die Weihnachtslichter waren schuld. Gerade hatte ich mit meinen Freunden Cara und Aubrey die lange Lichterkette von Luminarias, die ich in Santa Fe gekauft und in mühsamer Kleinarbeit zusammengesetzt hatte, vors Haus gebracht, um dem Christkind den Weg zu meinem Haus zu weisen. (Schliesslich wünschte ich mir eine Canon G10 Kamera.) Na ja, eigentlich wars ja Cara’s und Aubrey’s Kleinarbeit, aber lassen wir das. Während wir die Lichterkette also im Gänsemarsch durch die Eingangstür trugen, verirrte sich ein Vogel ins Wohnzimmer. Er flatterte aufgeschreckt umher, während Cara versuchte, ihm mit einem Küchentuch den Weg zu weisen. Ich schaute dem Treiben von aussen durchs Fenster zu – zu nah flatternde Vögel lösen bei mir Angst aus. Hitchcock lässt grüssen. Cara machte keine Fortschritte. Irgendwann liess sich der Vogel auf der Vorhangstange nieder. Aubrey kam die rettende Idee, hatte ich ihm doch am Vorabend stolz meine iPhone-App zur Vogel-Identifikation vorgeführt: iBird Explorer, Western Edition. (Warum ich flatternde Vögel nicht mag, Software mit Informationen zu 828 Vogelarten hingegen sehr – muss der Mensch denn immer logisch sein?) Ich zückte also mein iPhone und wählte irgendeinen Vogel vom Anfang der Liste aus: Acorn Woodpecker. Dann tippte ich auf den kleinen Lautsprecher und hielt das iPhone ins Wohnzimmer, um dem Vogel auf der Stange das Zwitschern vorzuspielen. Ein wenig liebliches Krächzen erschallte. Der Vogel auf der Stange hörte hin. Ich versuchte es mit Acadian Flycatcher. Nun gab der Vogel erstaunlicherweise Antwort. Dann wechselte ich zu Abert’s Towhee und siehe da, der Vogel reagierte auf den lieblichen Gesang und folgte ihm. In der Zwischenzeit hatten wir auch die Lichter im Haus gelöscht und nur noch die Luminarias draussen brannten. Dem Vogel leuchteten sie den Weg in die Freiheit. Aber meine Canon G10, die ist mir das Christkind immer noch schuldig.

Sunday, December 27, 2009

WildWestWeihnacht


Gibt es überhaupt Weihnachten im Wilden Westen, fragen Freunden aus der Schweiz. Aber sicher doch gibt es Weihnachten in der Wüste. Jeder Besucher, dem man einen Cowboy Hut aufsetzen kann, ist hier a priori einmal gern gesehen. Selbst wenn er vom Nordpol kommt und statt einem pferdestarken Pickup Truck einen Schlitten fährt, der von Renntieren gezogen wird. Rotnasigen Renntieren namens Rudy, wenn ich präzisieren darf. Irgendwie will mir Weihnachten hier etwas weniger heilig erscheinen als in Europa, etwas weniger ernst. Das fängt schon bei der Dekoration an. Da gibts alles – von schön bis kitschig, von dezent bis zum totalen Overkill. Regelrechte Strassenschlachten finden da mancherorts statt, bei denen der eine Nachbar den andern auszustechen sucht. Da werden gar hydraulische Lifts gemietet, um die Dekorationen an Haus und Bäumen noch höher und präziser anbringen zu können. Das Spiel mit dem Lift ist dabei wohl mindestens so interessant wie die Dekoration. Das Fest im Familienkreis ist dann eigentlich eine grosse, gemütliche Pyjama Party, denn hier werden die Geschenke am Morgen des Weihnachtstages verteilt, nicht an Heiligabend. Und weil die Kinder sich eh seit fünf Uhr morgens schlafend stellen und warten, bis Santa Claus mit seinen Geschenken den Kamin runtergerutscht kommt, wird nun bestimmt keine wertvolle Zeit damit verschwendet, das gute Tuch anzuziehen bevor man sich auf die Geschenke stürzt. Vielleicht hats ja damit zu tun, dass in den USA Thanksgiving die Pole Position des höchsten Feiertags mit festem Ritual einnimmt, da bleibt für Weihnachten mehr kreativer Freiraum. Auch der, am Nachmittag ins Kino zu gehen, was zwar wiederum auch schon fast zum festen Ritual geworden ist; es gibt viele Filme, die am Weihnachtstag ins Kino kommen. Für mich wirds “Crazy Heart” sein, in dem Jeff Bridges einen abgehalfterten Countrysänger spielt. Womit wir wieder im Wilden Westen wären.

Sunday, December 20, 2009

Ueberfall


Vor ein paar Tagen wurde ich auf der Post überfallen – von einer Kolumne. Sowas wünscht man sich als Kolumnist. Man könnte es auch eine geschenkte Kolumne nennen. Dabei hatte ich doch nur meine Simpsons Briefmarken kaufen wollen, bevor sie ausverkauft sind. Ich mag Briefmarken und Postkarten. In den Zeiten von elektronischen Postkarten freuen sich die Leute über die handfeste Sorte besonders. Ich stehe also in der Schlange vor dem Postschalter. Am Schalter steht ein älterer Mann in Schwarz. Apropos Mann in Schwarz – stellen Sie sich einfach Johnny Cash vor, nur mindestens zehnfach so rau. Schwarze Cowboyboots, schwarze Jeans, ein schwarzes Hemd, das über seinem runden Bauch spannt. Sonst ist nichts rund an ihm, und auch der Bauch sieht stahlhart aus. Die Haut ist wettergegerbt und vernarbt. Ist das der tätowierte Umriss einer Träne neben seinem Auge? Sein schwarzes Baseball Cap sagt in verschmutztem Weiss: LEAVE ME ALONE, lass mich in Ruhe. Er redet laut mit dem Mann hinter dem Schalter. Das sei ihm langsam zu teuer, immer diese Post ins Gefängnis nach Texas zu schicken, sagt er, das Kind solle besser bei ihm leben. Nun werde sie Weihnachten da drin verbringen müssen. Der Postbeamte macht ruhig seine Arbeit. Dann dreht sich der Mann in Richtung Schlange. Sie ist ein gutes Kind, sagt er zu uns, wirklich, ein gutes Kind. Sie wollte doch nur ein bisschen Cash verdienen für Weihnachten. Und dann wars halt ein Undercover Polizist, dem sie Drogen verkauft hat. Er zuckt mit den Achseln und lacht den Herr vor mir an. Dieser lächelt unsicher zurück. Als der Mann in Schwarz weg ist, dreht er sich zu mir um: Wie wärs mit einem zweiten Job, um sich was für Weihnachten dazuzuverdienen, fragt er.
PS. Tränen Tätowierungen werden meist mit Gefängnissen und Gangs assoziiert. Eine leere Träne kann bedeuten, dass ein Familienmitglied des Trägers getötet wurde, während er im Gefängnis sass.

Friday, December 11, 2009

Scott-Trupial, Architekten


Nach generationenlanger Planung ist dieses Jahr das neue Projekt “Scott-Trupial Residence”, welches das Architektenpaar für den Eigenbedarf in der südlichen Mojave Wüste entwickelt hat, vollendet und bezogen worden. Die Scott-Trupial Familie gehört zum weitverzweigten Vogel Clan, welcher sich seit dessen Anfängen dem Nestbau verschrieben hat. Angesichts der komplexen Aufgabenstellung und vieler widriger Bauvorgaben wurde darauf verzichtet, unter Amsel, Drossel, Fink und Star zu einem ausgeschriebenen Wettbewerb einzuladen. Die “Scott-Trupial Residence” ist ökologischer und sozialer Wohnungsbau erster Güte, wurde sie doch lediglich aus kostenfreien, rezyklierten Materialien und unter Einhaltung strengster Umweltvorschriften gefertigt. Von umliegenden Yucca Palmen wurden tote Palmwedelfasern gesammelt und auf beste Qualität untersucht. Dann wurden die baumaterialfähigen Stücke per Flügelschlag und somit mitsamt bester CO2 Bilanz zum vorgesehenen Grundstück transportiert. Dort wurden die harten, aber biegsamen Palmwedelfasern in akribischer Schnabelarbeit und mittels einer hochkomplexen Aufhängetechnik in die lebende Yucca Palme eingebaut. Das Innendesign und der Innenausbau des an einen hängenden Korb anmutenden Bau wurde vom Architektenpaar selber übernommen. Die vorherrschenden Materialien: weiche Gräser und andere weichen Pflanzenfasern. Mit dem Bau der “Scott-Trupial Residence” ist den Architekten ein dekonstruktivistisches Meisterwerk gelungen, welches eine minimale Intervention in den Wüstenkontext darstellt. Mit ihrem Entwurfansatz attackieren Scott-Trupial herkömmliche Nesting Vorstellungen und kontrapunktieren sie mit einer Leichtigkeit und Luftigkeit, welche der zeitgenössische Architektur in den letzten Jahren gefehlt hat. Das Projekt ist bereits vom American Institute of Architects AIA ausgezeichnet worden, und die Architekten stehen auf der Shortlist für den Pritzker Preis.

Eintopf


Es gibt solche und andere Restaurants in so einer Wüste. Die einen sind exzellent. Die andern sind eher in der Minus-Fünf-Sterne-Kategorie einzuordnen. Die einen gehören hier hin wie Kakteen, Triebsand und das Nichts. Die andern gehören hier nicht hin wie bewässerter Golfrasen, der aussieht, als sei er mit der Nagelschere geschnitten worden. In die letztere Kategorie gehört für mich ein Sushi Restaurant. In den neun Jahren, in denen ich nun in der Wüste lebe, habe ich mich nicht dazu überwinden können, die Hemmschwelle zu frischem Fisch inmitten von viel Sand zu überwinden. Da ist was falsch an dieser Geschäftsidee, obschon ich weiss, dass der Fisch in Los Angeles, wo es die hervorragendsten Sushi Restaurants gibt, ja auch nicht in den Gewässern vor der Stadt gefangen wird, was übrigens auch nicht wünschenswert wäre. In Los Angeles esse ich aber sehr gerne Sushi. Wie das halt so ist mit Vorurteilen, bin ich darin konsequent inkonsequent und absolut willkürlich. Während ich mich über Sushi in der Wüste aufhalte, mag ich Thailändisch in Joshua Tree ganz gern. Und Koreanisch in Desert Hot Springs find ich gut, wohingegen ich dem französischen Bistrot in Twentynine Palms nicht traue. Die mexikanische Küche nehme ich schon gar nicht mehr als ausländisch wahr, und dass die amerikanische Hausmannskost in der Roten Scheune von einem chinesischen Ehepaar gekocht und serviert wird, fällt mir ebenfalls nicht mehr auf. Das beste Restaurant weit und breit ist allerdings ein sehr lokales, das Twentynine Palms Inn. Die bauen ihr Gemüse hinter dem Hotel selber an – in einem Garten, der nach den Anbauregeln der Chemehuevi Indianer angelegt ist. Und obwohl das Hotel in der einzigen Oase in der Gegend liegt, ist es faszinierend, dass dies mitten in der Wüste so hervorragend funktioniert. Was man in Sachen Restaurants allerdings mit Sicherheit sagen kann: Nirgends wo Top draufsteht, ist auch Top drin.