Friday, December 21, 2007

Einarmige Banditen


Es ging wie ein Lauffeuer durch die Internetforen für die High-Desert letzte Woche: Twentynine Palms soll ein Casino bekommen. Und zwar ziemlich zentral gelegen, nahe bei der Palmen-Oase, die der Stadt ursprünglich ihren Namen gegeben hat. Da nämlich besitzen die Chemehuevi Indianer, die hier mal ansässig waren, über einen halben Quadratkilometer Land, mit dem sie machen können, was sie wollen. Wirklich machen können, was sie wollen, ohne Bewilligungen und nichts. Und nun wollen sie ein Casino bauen, denn die Indianerstämme in Kalifornien haben nicht nur Reservate sondern auch exklusive Casino Lizenzen als Ausgleich für vergangenes Unrecht erhalten. Mit denen machen sie heute Geld. Und das warfen ihnen denn die eifrigen, umweltbewussten Blogger auch sofort vor, noch bevor sie mehr über das Projekt wussten. Von Geldgier war da zu lesen und von ökologischer Katastrophe. Alles unter dem Deckmantel von “Wir Weissen sind ja dafür, dass die Indianer mit ihrem Land machen können was sie wollen, aber…”. Ein paar Lautstarke haben sich immerhin dazu bequemt, die Informationsveranstaltung des Stammes zum geplanten Casino zu besuchen. Um dann eine Stunde später in ihren Blogs zu Kreuze zu kriechen. Siehe da, wieder einmal hatte der Weisse Mann die Indianer unterschätzt. Umweltgerecht soll der Bau werden, mit Solarenergie und Grauwasser-Aufbereitung. Die neueste Lichttechnologie wird eingesetzt werden, um den Sternenhimmel nicht zu verschmutzen – eine der Touristenattraktionen der Gegend. Hunderte von Arbeitsplätzen werden geschaffen werden und wenn immer möglich lokal vergeben. Und ein Kulturzentrum zur lokalen Geschichte wird in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark erarbeitet. Überhaupt wird der Dialog mit der Stadt frühzeitig gesucht. Und das alles scheint doch verdammt viel besser und weitsichtiger als der Weisse Mann sich gegenüber den Indianern verhalten hat. Und sich immer noch verhält.

Tuesday, December 11, 2007

Dachschaden


Erst regnet es zwei Jahre lang kaum, und dann schüttet es. So, dass die Kakteen ersaufen und man das Haus nur noch mit hohen Gummistiefeln verlassen kann. Und so, dass nach wenigen Stunden die Sandstrasse davonfliesst. Dass ich das oberste Haus an meiner Strasse besitze, hat da sein Gutes. So fliesst das Wasser um meine kleine Steinmauer rum, die Strasse runter und in die Häuser der Nachbarn. Unter mir die Sintflug, sozusagen. So geschehen vor ein paar Tagen. Dass ausgerechnet an diesem Abend meine Freunde mit ihrem Baby ankommen mussten – es ist sonst immer schön und klar, sagte ich und sie schauten mich kritisch an. In einer bitterkalten Nacht bei Sintflut ein kleines, süsses Baby und all seinen Sitzchen, Wägelchen und Sachen aus einem Auto zu fischen, ist, sagen wir mal, suboptimal, um meine innerliche Schimpftirade ob dem Sauwetter hier nicht widerzugeben. Die fand allerdings am nächsten Morgen nicht nur innerlich statt. Dann hatte nämlich der Regen nachgelassen und der Wind eingesetzt, wobei Wind eine abgrundtiefe Untertreibung ist. Schon morgens um sechs war an Schlaf nicht mehr zu denken. Gartenstühle kippten um, Gartenwerkzeug und Rechen und Besen flogen durch die Gegend. Die Hunde, die sonst nichts wie raus wollen, verkrochen sich in die hinterste Ecke des Hauses. So starke Winde hatte ich hier noch nie erlebt. Oder besser, überhaupt noch nie. Und dann, als ich Kaffee kochte, sah ich den ersten Aluminium-Dachziegel fliegen. Dann den zweiten und dann eine ganze Menge. Ich zog mir einen Wollhut (wie wenn der mich vor dem sofortigen Tod durch Ziegeltrauma hätte bewahren können) und eine Windjacke an und stürzte mich nach draussen, um das Haus weiträumig zu umschreiten. Schock. Die Dachziegel der Westseite lagen auf der Ostseite im Sand. Dann doch lieber Kaffeetrinken. Manchmal kann man eben nichts anderes tun, als der Natur nicht dumm im Weg rumstehen, bis sie ausgetobt hat.

Mojave Multiplex


Es gibt nur ein Kino in Twentynine Palms, und das einzig Multiplexe daran ist, dass man zwei Filme hintereinander sehen kann. Der Preis, ein Total von fünf Dollar, macht klar, dass von High-tech keine Rede sein kann. Das Smith’s Ranch Drive-in Kino wurde in den Fünfziger Jahren von den Eltern des heutigen Besitzers gebaut und es ist eines der am längsten und kontinuierlichst betriebenen Drive-in Kinos der USA. Mark Clemons erinnert sich, dass er schon als Kind den Projektor bedienen musste, während sein Grossvater vorgab, nichts von den modernen Projektoren zu verstehen. Dieser hatte bereits in den Dreissiger Jahren angefangen, auf seiner Terrasse 16mm Filme für die Nachbarn zu zeigen, weil er der erste und einzige war, der Elektrizität auf seiner Ranch hatte. 330 Autos passen auf den ungeteerten Platz, und Mark erinnert sich an enervierende Hupkonzerte, wenn er als Kind seiner Verantwortung nicht ganz gerecht wurde. Von der einzigen technologische Erneuerung, die während den letzten fünfzig Jahren stattgefunden hat sind nur noch die Pfosten übriggeblieben – der Ton kommt heute nicht mehr aus über den Platz verteilten Lautsprechern, sondern über eine bestimmte FM Radio Frequenz. Je nach Qualität des Autoradios und der Boxen kann man sich da sogar der Illusion von Surroundsound hingeben. In meinem alten Pickup Truck ist das weniger der Fall, musste ich feststellen, als ich mir den neuen Western “3:10 to Yuma” angesehen habe. Auch die Sicht durch die (ok, leicht verschmutzte) Autoscheibe war nicht wirklich kristallklar. Sich mitten in der Mojave einen Western in einem Autokino anzusehen, war mehr eine romantische Idee, als dass es eine wirklich befriedigende Erfahrung war. Speziell bei einem so guten Film wie diesem, mit seinen grossen Landschaften und Schauspielern. Dafür liebe ich Kino zu sehr. Ich habe mir “3:10 to Yuma” ein zweites Mal angesehen – im richtigen Multiplex.