Wednesday, November 28, 2007

Ost-West-Streit


Endlich, nach Jahren, ist es mir gelungen, meinen Freund Harper von New York in die Wüste zu locken. Er hat ausgelaugt geklungen am Telefon, überarbeitet. Was du brauchst, ist Landschaft, Weite, Stille hab ich gesagt. Wie lange ist es her, dass du aus Manhattan rausgekommen bist? Die Stille in der Leitung ist Antwort genug gewesen. Was du lieben wirst, ist der Nachthimmel, dunkel, klar und ein umwerfendes Sternenmeer, dopple ich nach. Die fehlende Lichtverschmutzung hat es ihm angetan und er hat einen Flug gebucht. Harper ist ein typischer New York City Snob. Alles Kalifornische ist ihm suspekt, Kultur haben wir hier eh keine, denkt er. New York ist die einzige amerikanische Stadt, die zählt und sie ist an die einzige Küste gebaut, die zählt. Alles, was westlich vom Hudson liegt, interessiert Harper nicht, aber sonst ist er ganz amüsant und nett. Nach Los Angeles wäre er nicht gekommen, aus Prinzip. Aber in die Wüste – das ist ein Versuch wert in seinen Augen, speziell seit die New York Times viel über Joshua Tree und die blühende Kunstszene hier schreibt. Dann muss ja was dran sein, an der Mojave. Nach ein paar Stunden in meinem Lounge Chair beim Fenster mit der meilenweiten Aussicht hat sich seine Ostküsten-Hyperaktivität gelegt und er schnarcht vor sich hin. Der neueste Don DeLillo Roman über den 11. September in New York ist ihm aus den Händen geglitten. Als er erwacht, muss ich ihm beibringen, dass wir nicht ausgehen zum Essen, sondern selber Steaks braten, auf dem Grill hinter dem Haus. Da ist es ja stockdunkel, sagt er, und muss selber lachen. Die Sterne sieht er trotzdem nicht – wie zur Bestätigung, dass der Westen eh nicht hält, was er verspricht, zieht eine dicke Wolkendecke auf – eine von vielleicht zehn pro Jahr. Das kann ich auch in New York sehen, sagt Harper und zieht sich ins Bett zurück. Den spektakulären Sonnenaufgang am nächsten Morgen verschläft er.

Tuesday, November 20, 2007

Wüstenfladen


Lassen Sie mich gleich vorwegnehmen – das hier ist nicht Poulet, das auf dem Holzkohlengrill in einer lauen Wüstennacht goldgelb gebraten wurde. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es sich hier um eine missglückte Annäherung an eine Basler Spezialität handelt. Aber gehen wir ein paar Tage zurück. In einer fröhlichen Runde kam das Gespräch auf das traditionelle Thanksgiving Essen. Morgen Donnerstag ist Thanksgiving – der grösste Feiertag im Jahr in den USA. Die Amerikaner in der Runde haben über die gestopften Truthähne ihrer Kindheit gesprochen, die auf dem Küchenboden statt im Ofen gelandet sind, weil sie schwer und rutschig eingefettet waren. Und sie haben sich darüber gewundert, dass die Schweizer kein Erntedankfest feiern. Jemand hat gefragt, was für Speisen wir aus der Schweiz vermissen und einer hat Fastenwähen gesagt. Basler Fastenwähen. Und mich dabei angeschaut. Das kannst du doch sicher, hat er gesagt. Nachdem ich über Google ein Rezept gefunden habe, habe ich beschlossen, das saisonal nicht so eng zu sehen. Die erste Hürde: frische Backhefe. Hier gibts Trockenhefe, aber bei einem Restaurant Engros-Laden in LA habe ich frische Hefe gefunden. Die nächste Hürde: die Grammangaben. Für amerikanische Rezepte braucht man keine Waage sondern bestimmte Massbecher und –löffel. Ich habe umgerechnet so gut es ging. Der Teig fühlte sich richtig an. Wie kommt die Fastenwähe zu ihren vier Löchern? Einschnitte hat das Rezept gesagt – getan. Mit Ei bestrichen und Kümmel bestreut und ab in den Ofen. Nichts ist passiert mit den Einschnitten. Gar nichts. Das ginge ja noch. Aber die Dinger schmeckten auch nicht wie Fastenwähen. Schon eher wie eine indische Vorspeise. Wiederum bringt Google die Erleuchtung. Es gibt zwei verschiedene Arten von Kümmel. Ich habe Kreuzkümmel verwendet – den falschen. Absolut ungeniessbar. Na ja, den Kojoten wirds schmecken. Die fressen alles.

Firewall


Ist die Schneise breit genug, frage ich Karl. Er ist Feuerwehrmann in Los Angeles und mein Nachbar hier in der Wüste. Zeitweise zumindest. Karl hat von seinem Grossvater ein kleines Haus in meiner Nähe geerbt und das renoviert er nun selber in seiner Freizeit. Heute habe ich ihn mit einem schönen Lunch von seiner Arbeit weggelockt und ihn genötigt, mein Haus und vor allem die Bäume und Büsche drumherum feuertechnisch unter die Lupe zu nehmen. Ich will nicht, dass es so kommt wie auf obenstehendem Bild. Also habe ich nach den grossen Feuern in Südkalifornien vor ein paar Wochen meinen andern Nachbarn Danny angestellt, damit er mir mit seinem Traktor eine breite pflanzenlose Schneise rund um meinen Zaun fräst. Karls Gegenfrage kommt unerwartet. Breit genug für wenn du zuhause bist oder für wenn du nicht zuhause bist, fragt er. Breit genug, um das Haus zu retten, sage ich erstaunt. Wenn du zuhause bist, hast du kein Problem, wenn du nicht zuhause bist, hast du kein Haus. Er sagt es nonchalant; für ihn ist das eine Banalität. Ich starre ihn entsetzt an. Wenn du zuhause bist, nimmst du den Gartenschlauch und erstickst die glühende Asche, die der Wind in deine Nähe bläst im Keim. Wenn du nicht zuhause bist, kann sich die kleinste Glut zu einem grossen Brand ausdehnen, da hast du eh keine Chance. Aber mach dir keine Sorgen, so grosse Brände sind selten und du bist ja nicht im Buschgebiet oder im Wald wie all die Leute, die kürzlich ihre Häuser verloren haben. Er zeigt auf ein paar Bäume, die nah am Haus stehen. Da kannst du ein paar Äste absägen, wenn du dich dann besser fühlst, sagt er. Aber wenns die Winde so stark sind wie vor ein paar Wochen, dann brennt eh alles. Karl sagt, er würde sein Haus bei einer verordneten Evakuation nicht verlassen. Ob ich so mutig sein werde (oder so dumm, je nachdem), weiss ich nicht. Ich hoffe nur, dass Karl gerade in der Gegend ist, wenns losgeht.

Saturday, November 10, 2007

Grüne Lüge


Wenn es nach dem Los Angeles Department für Wasser und Energie geht, sieht unsere schöne, unberührte Wüste bald so aus – durchsetzt mit riesigen 500 Kilovolt Strommasten und -Leitungen. Und weil die in LA wissen, dass wir hier draussen das nicht in unserem Vorgarten wollen, haben sie klammheimlich kleine Markierungstafeln in den Sand gegraben. Ohne jemandem was zu sagen. Nicht mal dem San Bernardino County, das für das Land verantwortlich ist. Das könnte LA nun ein Bein stellen, denn San Bernardino ist das grösste County der USA und wenig begeistert, wenn Los Angeles sich in fremden Gärten umtut. Das LAWPD, wie das Departement abkürzt heisst, gehört der Stadt und somit dem LA Bürgermeister Antonio Villaraigosa, um es jetzt mal salopp zu sagen. Und der hat geschworen, dass Los Angeles bis 2010 zwanzig Prozent seines Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen speisen wird. Das ist ja gut und recht. Aber um dieses Versprechen zu halten, geht er nun über Pumas, Maultierhirsche, Dickhornschafe und Dachse, welche in ihrem Migrationsverhalten enorm gestört würden. Und über all die Menschen hier, die sich die Mojave wegen der hohen Lebensqualität ausgesucht haben. Saubere Luft, sauberes Wasser, sternenklare Nächte und intakte Natur rundherum. Zwei Naturschutzgebiete würden die Leitungen durchqueren und mehrere kleine Städte und Dörfer, unter anderem auch die historische Westernstadt Pioneertown, die in den fünfziger Jahren als Filmkulisse gebaut worden ist. Um das alles schmackhaft zu machen, hat man das Projekt Greenpath genannt, nach dem Motto, wo grün draufsteht, ist auch grün drin. Fragt sich nur für wen. Hier draussen ist dem Projekt jedenfalls der Kampf angesagt worden. Hervorragend gemachte Informations-DVDs werden verteilt, Medien mobilisiert und alle Rechtsschritte ausgeschöpft. Wir wollen doch nicht dafür bezahlen, dass die LAler sich auf unsere Kosten auf ihrem grünen Gewissen ausruhen können.

Thursday, November 1, 2007

Feuerprobe


Ich habe sie wieder einmal gemacht letzte Woche, meine mentale Liste, was ich alles aus meinem Haus rausholen muss, falls es auch hier zu brennen anfangen sollte. Zum Zeitpunkt, als ich diese Zeilen schreibe, ist das nächste Feuer etwa sechzig Meilen von mir entfernt. Ich kann den riesigen, weissen Rauchpilz vom Lake Arrowhead Feuer sehen am Horizont. Und ich kann das Kratzen im Hals spüren von den feinen Russpartikeln, die überall in Südkalifornien in der Luft rumschwirren. Ich habe leichtes Asthma, das meist bestens unter Kontrolle ist. Aber heute morgen hat mich ein besorgter Feuer-Anfruf aus der Schweiz aus dem Schlaf geholt und ich bin ab meiner eigenen Stimme erschrocken. Sie klang, als hätte ich die Nacht in einem rauchigen Saloon durchzecht. Keine körperliche Ertüchtigung im Freien für niemanden in Südkalifornien, hat der Fernsehdoktor etwas später gesagt. Wo ich doch gerade heute eine achtstündige Wanderung machen wollte. Danke vielmals, Herr Doktor, nun kann ich den Tag guten Gewissens auf dem Sofa verbringen und meine mentale Liste weiterhin überdenken. Wirklich Wertvolles habe ich seit letztem Jahr, als wir hier oben in der High-Desert die verheerenden Feuer hatten, eh nicht mehr im Haus. Alle meine Fotos und Papiere sind in Venice Beach vor dem Feuer sicher. Da ist die Wahrscheinlichkeit eines Tsunami grösser als die eines Lauffeuers. Und falls beides zusammen passiert – dann brauche ich eh keine Papiere mehr. Aber was ich nun bestimmt initieren werde, ist ein Rundgang um mein Haus mit einem Feuerwehrmann, der mir sagt, welche Bäume zu nah am Haus stehen und abgeholzt werden müssen. Das ist am TV deutlich zu sehen gewesen – je weniger Vegetation nah am Haus, desto grösser die Chance, verschont zu werden. Sollte der Feuerwehrmann allerdings etwas gegen meine Kakteen haben, dann wirds schwierig. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, die speichern schliesslich Wasser wie Hydranten.