Friday, August 1, 2008

15 Sekunden


Ich sitze nichtsahnend am Schreibtisch, als der Kaffee in meiner Tasse sich selbständig macht. Er schwappt von links nach rechts und zurück. Dann mache ich mich selbständig – ohne mein Zutun. Ich schwinge – als ob ich auf einer Kreuzfahrt wäre. Aber ich bin nicht auf einer Kreuzfahrt (nur über meine Leiche, mir wird auf der Fähre über den Rhein schon schlecht), ich sitze mitten in der Mojave. Absolute Stille draussen. Nichts weit und breit. Kein Baustelle, auf der ein Kran umgefallen ist. Keine Truppenübung auf der 30 Meilen entfernten Marinebasis. Erst nachdem all diese Gedankengänge auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft sind, geht der Kopf dahin, wo er nicht hin will – ein Erdbeben. Verdammt, das ist ein Erdbeben. Erst mal stillsitzen, vielleicht gehts ja weg. Genau hinhören (hilft das was?). Alles schwankt. Das Haus schiebt sich als kompakte Masse auf dem Sand hin und her. Kein Krachen im Gebälk, nicht mal das leiseste Knistern. Ich schwinge mit. Mein Herz scheint stillzustehen und gleichzeitig aus der Brust zu springen. Ich halte mich am Schreibtisch (das hilft sicher nichts). Es ist ein schwerer Schreibtisch. Soll ich mich drunter verkriechen? Nein, halt. Die neuesten Forschungen sagen, man soll sich nicht unter schwere Möbelstücke ducken, sondern genau daneben. Der Tisch könnte zusammenkrachen. Aber neben ihm wird ein kleiner Freiraum entstehen, wenn alles runtergestürzt kommt. Ich sitze weiterhin wie angewurzelt auf meinem Bürostuhl. Wozu speichere ich das Wissen um den sichersten Ort, wenn ich es nicht anwende? Wahrscheinlich weil ich nicht glauben kann, dass dies “The Big One” sein könnte. Zum Glück habe die Risse des letzten Erdbebens noch nicht repariert, denke ich noch. Dann ist Ruhe. Ich warte auf die Aftershocks. Sind sie real oder spielen sie sich nur in meinem Kopf ab? Egal. Seekrank bin ich so oder so. Noch immer halte ich mich am Schreibtisch fest.

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