Sunday, December 10, 2006

Frühlingserwachen


Auch wenn ich mich dieser Tage von morgens bis nachts im verdunkelten Haus einschliessen würde (was mir bei dieser strahlenden Sonne nicht im Traum einfällt) – ich wüsste trotzdem: der Lenz ist da. Das tiefe Geknatter ist unverkennbar, das vom Highway unten bis zu mir hoch klingt und die ansonsten übliche Stille durchbricht. Speziell am Wochenende, aber nicht nur. Es sind die Harleys, die aus dem Winterschlaf erwacht sind und nun Easy Rider alle Ehre machen wollen. Es gibt noch einiger dieser Typen, denen man ein Echtheitszertifikat an die zerschlissene Lederjacke heften würde, wenn sie denn nur etwas nahbarer wären. Aber sie verbarrikadieren sich hinter Bärten, verspiegelten Sonnenbrillen und roten Bandanas. Breitbeinig sitzen sie im Sattel, den ernsten Blick geradeaus auf den einsamen Highway fixiert. Sie halten an einschlägigen Roadhouses und einsamen Bars, die kaum ein Sheriff je von innen gesehen hat. Sie sind Cliché und trotzdem echt. Sie gehören nicht zu den Harley-Sonntagsfahrern, die am Montagmorgen wieder frisch rausgeputzt bei Starbucks sitzen und ihren Aktienstand auf dem Laptop überprüfen während sie ihren Grande-Nonfat-Latte mit einem Röhrchen schlürfen. Für sie ist die Harley ein Lebensstil, den man ab und zu aus der Garage holen kann, um sich wild vorzukommen. Wild kamen sich wohl auch die sechs Harley-Fahrer vor, die mir letzthin schon von weitem auffielen als ich auf die Tankstelle zufuhr. Schwarze Lederkombis, Bikerstiefel, grosse Maschinen – und trotzdem stimmte intuitiv was nicht, wenn sie den Helm nicht auf hatten. Zu gut geschnittenes graues Haar, wenn auch zerzaust und ungewaschen, zu fein die Gesichtszüge und die Nickelbrillen. “Nürnberg”, gaben sie widerwillig zu, als ich sie gemeinerweise auf deutsch fragte, wo sie her kämen. Diese Frage erübrigte sich bei einem andern “lonesome rider”, der überperfekt auf Easy Rider gestylt war – er hatte ein Zürcher Nummernschild.

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