Sunday, December 10, 2006

Jesus Christ Superstar


Twentynine Palms hat 27 000 Einwohner und 28 verschiedene, christliche Glaubensgemeinschaften. Wenige der Kirchen sehen hübsch aus, die meisten sind mickrig, und die ärmlichen Bauten sind oft nicht mal als Kirchen erkennbar. Die Church of Nazarene zum Beispiel gleicht einem heruntergekommenen Schulzimmer aus den 70er Jahren mit ausgetretenem Linoleumboden und abgeschabten Stühlen. Da gibts nichts Andächtiges, Erhebendes, keinen Kirchenschmuck. Es ist die einzige Kirche hier oben, die ich von innen kenne – sie dient im Nebenamt als mein Wahllokal. Auch wenn das nebenstehende Foto das Gegenteil zu beweisen scheint – eigentlich begegnet man Jesus im Alltag hier nicht unbedingt auf Schritt und Tritt. Fährt man aber am Sonntag an einer Kirche vorbei, sieht man die Gottesfürchtigkeit bis auf die Strasse quellen – die Parkplätze sind überfüllt mit Autos. Andererseits hat mir auf dem Flohmarkt ein alter Mann erzählt, er sei in den 50er Jahren nicht zuletzt wegen der freidenkenden Kultur und der allgemeinen Toleranz hierher gezogen, und weil ihm die Ignoranz der christlichen Fundamentalisten in seinem Heimatstaat Montana auf die Nerven gegangen sei. Auch ausgestiegene Mormonen gibt es einige. Die mag ich besonders gern. Sie sind offen, äusserst freundlich, redegewandt, sprechen Fremdspachen und sind oft weitgereist – alles Dinge, die sie beim Missionieren gelernt haben – nur dass sie nun nicht mehr missionieren. Das Nebeneinander von scheinbar Unvereinbarlichem ist auffällig. Hier geht alles. Es gibt schliesslich auch genügend Platz, dass sich die verschiedenen Lebensentwürfe nicht in die Quere kommen. Die offene Landschaft scheint sich in den Köpfen der meisten Menschen widerzuspiegeln. Leben und Lebenlassen - nur so können Militärler (die grösste Marine Ausbildungsbasis ist in der Gegend), Hippies, Rocker, U.F.O. Verschwörungstheoretiker, Künstler und Gottesgläubige friedlich koexistieren.

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