Sunday, December 10, 2006

Die Wüste lebt


Im Frühling und im Herbst kriege ich ab und zu wilden Besuch. Würden die Hunde nicht jedesmal durchdrehen, könnte er glatt unbemerkt an mir vorbei schleichen. Vielleicht tut er das auch ab und zu. Aber letzte Woche war es wieder mal soweit, zum ersten Mal in diesem Jahr – meine wilde Wüstenschildkröte bahnte sich ihren immer gleichen Weg ums Haus. Es ist mir klar, dass “meine” und “wilde” sich widersprechen. Trotzdem hege ich Besitzansprüche auf das fast 30cm lange Tier, seit ich nachgelesen habe, dass Wüstenschildkröten ihr Leben lang in einem engen Radius von höchstens einer Meile leben. Und da die Spezies vom Aussterben bedroht ist, fühle ich mich immer besonders geehrt, dass dieses Urviech jedes Jahr wieder zu mir zurückkehrt. Sie könnte zwischen 50 und 80 Jahre alt sein, von ihrem Panzer her zu beurteilen. Die Vorstellung, dass sie schon vor meiner Geburt hier ihre Runden gedreht und quasi auf mich gewartet hat, finde ich rührend. Ich bilde mir nicht ein, dass sie wegen der wässerigen Delikatessen wiederkommt, die ich ihr immer in den Weg lege – schön mit Sicherheitsabstand, sonst kriegt das arme Ding den Kopf nicht über den Panzer gebogen. Schildkröten lieben Rot, hab ich gehört. Seither lasse ich den Salat im Kühlschrank und greife nach Erdbeeren oder Tomaten. Jedes Jahr wieder ist es mir ein Rätsel, wo die Schildkröte genau herkommt und wohin sie verschwindet, ob sie innerhalb meines Zauns lebt oder nur ab und zu irgendwo untendurch kriecht. Alle Versuche, sie zu verfolgen und das genau auszukundschaften, hab ich dennoch aus Langeweile ob der langen Warterei abgebrochen.
Hier wird man so, hier draussen. Auch wer, wie ich, seiner Lebtag nicht unbedingt ein enthusiastischer Tierfreund war - legt sich mit Foto- und Filmkamera in den Sand und staunt über das Glücksgefühl in der Brust, dass es die wilde Wüstenschildkröte noch gibt und dass sie ein tomatenverschmiertes Maul hat.

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