Sunday, December 10, 2006

Karls Eigentum


Dies alles hab ich Karl gestohlen. Davon wusste ich nichts als ich das Mobiliar aus der verlassenen Hütte hinter meinem Haus zu mir rübergeschleppt hab – zwei Liegestühle noch dazu. Vor circa zwei Monaten ist Karl Kohnke (der Name wurde von der Autorin aus nachvollziehbaren Gründen geändert) aufgetaucht und hat sich als Besitzer geoutet. Zuerst per Notiz, die an mein Tor geheftet war, dann persönlich. Karl ist dummerweise nett und Feuerwehrmann in Los Angeles. Seit dem 11. September 2001 sind alle Feuerwehrmänner in Amerika Helden. Trotzdem will ich ihm meinen Küchentisch mitsamt Stühlen nicht wieder zurückgeben. Ich schwitze Blut als ich Karl und seine Frau zum ersten Mal in mein Haus lasse. Karl mag sich erinnern, als Kind seinen Grossvater in der Hütte besucht zu haben. Was wenn sich Karl auch ans Mobiliar erinnerte? Die Angst war umsonst, stelle ich fest, als ich ihm und seiner Frau am Küchentisch was zu trinken anbiete, nachdem ich mir eine Lüge zurechtgebastelt hab: die Möbel waren schon im Haus, als ich es gekauft hab. Hoffentlich weiss Karl nicht, dass mein Haus vorher einem 90-jährigen Mann gehört hat, der unter der Last von nur einem halben Stuhl quer durch die offene Wüste zusammengeklappt wäre. Karl hat nicht nur kein photografisches Gedächtnis – er hat auch keinen Orientierungssinn. Er verwechselt Ost mit West, als wir über sein Land sprechen. Und sowas ist Fahrer eines riesigen Löschzugs in Downtown Los Angeles, sagt seine Frau mit Augenzwinkern. Ach, ich fahr einfach dorthin, wo’s Rauch hat, winkt Karl scherzend ab. Ich freue mich, einen Feuerwehrmann als Nachbar zu haben, schliesslich fängt die Feuersaison gerade erst an. Aber erst muss Karls Hütte renoviert werden. Er hat einen andern Nachbar mit dem Nötigsten beauftragt. Kaum hat Karl eine funktionierende Tür gibt der nette Mensch mir einen Schlüssel. Der Mann hat keine Ahnung mit wem er es zu tun hat.

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