Friday, March 5, 2010

Frühjahrsputz


Von einem Tag zum andern war Schluss. Den ganzen Winter hatte ich zugeschaut, wie die Hunde schmutziger und schmutziger wurden. Das rotbraune Kurzhaar wurde zu einem stumpfen beigebraun. Das schwarze Langhaar zu einem matten sandgrau. Sie wie üblich im Garten mit dem Schlauch abzuspritzen und zu shamponieren lag nicht drin. Für die Hunde nicht und für mich nicht. Der Winter war zu streng. Mir wären die Finger einfroren ob dem kalten Wasser. Und den Hunden so ziemlich alles, wenn sie draussen im kalten Wasserbad hätten stehen müssen. Der Hundesalon in Twentynine Palms hatte vor ein paar Monaten dicht gemacht. Es gab offenbar nicht genügend Leute, die sich noch einen Hundecoiffeur leisten konnten. Die schlechte Wirtschaftslage machte sich also auch bei den Wüstenhunden bemerkbar, aber da deren Fell ja eh nie der Inbegriff von seidener, städtischer Gepflegtheit war, fiel das nicht weiter auf. Von weitem wenigstens nicht. Aber aus der Nähe - ich täschle partout nicht gern etwas, was der Konsistenz einer klebrigen Teppichmatte ähnelt. Und trotz der Trockenheit in der Wüste, die das Ärgste verhindert, rebellierte auch meine Nase je länger je mehr. Da musste mal wieder Tabula Rasa gemacht werden. Auf dem Highway hatte ich im Vorbeifahren diesen gelben Wagen gesehen und mir sogar die Nummer merken können. Brenda kam, sah und kämpfte. Drei Stunden lang wurde gewaschen, geschoren und geschnitten. Luxuriöse Vorzugsbehandlung, dachte ich – zu den Hunden kommen die Profis nach Hause während ich mit meine Haare oft selber schneide. Brenda hatte es besonders gut gemeint und den beiden als Zeichen geleisteter Dienste noch je ein Halstuch umgebunden, wie wenn man den Unterschied von vorher zu nachher sonst nicht bemerkt hätte. Aber das liessen die beiden nicht auf sich sitzen. Kaum hatte sie ihr Vehikel gewendet, waren die Tücher auch schon weg. Was denkt die, wer wir sind. Viel zu affig für eine richtigen Wüstenhund.

Saturday, February 27, 2010

Felsen wie Skateboards


Die Schuhe warens nicht, da sind sich Andrew und Bret einig. Ihre Vans seien für die Expedition bestens geeignet gewesen, behaupten sie. Sie waren in den Berg hinter dem Haus gestiegen und fünf Stunden nicht mehr wiedergekommen. Ohne Wasser, ohne Telefon, nur je ein alter Golfschläger, der auch als Spazierstock verwendet werden konnte, hatten die beiden Jungs dabei. Was ist das mit der offenen Wüste und Golf? Ich finde immer wieder Golfbälle hinter meinem Haus, weil auch Andrew’s Vater Kurt, mein Teilzeit-Nachbar, gern welche in der Gegend rumballert. Wahrscheinlich ist es einfacher, sich der Illusion eines hervorragenden Handicaps hinzugeben, wenn es weit und breit kein Grün gibt. Den beiden Jungs gings weder um Golf noch um Klettern. Sie wollten nur möglichst weit weg von Kurt. Der hatte sich für die beiden allerhand Arbeit rund um die Renovation seines Wüstenhäuschens ausgedacht wie zum Beispiel den Bauschutt hinter dem Haus wegzuräumen. Nach zwei Stunden rief er mich zum ersten Mal an. Er klang wütend. Und besorgt. Ich lief rüber und wir starrten gemeinsam in die von riesigen Felsbrocken übersähten Berge. Nichts. Rufen. Ebenfalls nichts. Nach drei Stunden war Kurts Wut weg und nur die Besorgnis war übrig geblieben. Nach fünf Stunden, als die beiden zerkratzt und geläutert wiederkamen, war sie sofort wieder da, Kurts Wut. Skater Idioten, nannte er sie, nachdem sie erzählt hatten, wie sie sich da oben verlaufen hatten, wie die grossen, runden Steine in alle Richtungen gleich ausgesehen hatten und wie durstig sie waren. Die Oberfläche der Steine sei ihnen vertraut gewesen – genau so rau wie ein Skateboard. Ausser dass man auf Kaktus stiess statt auf Asphalt, wenn man fiel. Irgendwann schafften sie es dank dem Sonnenstand doch noch, zurück zu finden. Der Bauschutt hatte leider gewartet. Der musste immer noch weg. Und Kurt lachte sich ins Fäustchen während er die erste Bierflasche öffnete.

Wednesday, February 17, 2010

Geografie Stunde


90 Minuten habe ich für Sie gelitten. Danke. Bitte. Nicht gern geschehen. Dabei hatte ich nur mehr Informationen zu einem Kolumnenthema holen wollen: Wie kann es sein, dass man ein Wüstenterrain ohne spezielle Identifikationsmerkmale immer wieder gleich durchschreitet, ob man will oder nicht, wie ich an meinen Fussspuren in der offenen Wüste sehe. Im Museum von Twentynine Palms gabs einen Vortrag zu einem ähnlich gelagerten Thema, wie ich zumindest annahm. Ich war stolz auf mich, dass ich das innere Faultier bezwungen hatte und hingefahren war. Für was? Für den schlechtesten Vortrag, dem ich je das Unglück hatte beizuwohnen. Etwa 30 Leute hatten im historischen Schulzimmer Platz genommen und waren gespannt. Die Rednerin und ihre wissenschaftlichen Leistungen wurde eingeführt. Sie war um die 40 und hatte eine interessante Schönheit an sich. Sie sei als Jugendliche aus Chile eingewandert, erklärte sie ihren Akzent im Grenzbereich des Verständlichen. Als sie erst mal zehn Minuten darüber sprach, über was sie sprechen würde, wusste ich, das wird nichts. Nicht mal der Übergang zum eigentlichen Vortrag war klar auszumachen. Zu diesem Zeitpunkt schliefen bereits drei Leute. Die mickrigen Bildchen und Karten waren die Leinwand nicht wert, auf die sie projeziert wurden. Ich habe gelernt: Wenn man rund um einen ausgetrocketen See antike Werkzeuge aus Stein findet, lässt das auf Wasser und Klimaveränderung schliessen. Hallo? Die Wissenschaftlerin wusste ja vielleicht mehr, aber von Vermittlung hatte sie noch nie was gehört. Am Ende schliefen sieben Leute. Ich blieb wach. Hautsächlich, weil ich sehen wollten, ob man so eine wissenschaftliche Nichtigkeit 90 Minuten lang durchhalten kann. Man kann. Wie sich der menschliche Körper eine unauffällige Wüsten-Topografie immer wieder gleich aneignet, das soll mir doch bitte mal eine anständige geografische Fachperson erklären. Kost und Logis inbegriffen.

Energieverlust


Ich gebs ja zu, wie die meisten Schreiber, versuche ich immer mal wieder, mich vor dem Schreiben zu drücken. Trotzdem hoffe ich, dass ich nicht so plump sein würde, das Stromkabel meines Computers nicht richtig einzustecken. So geschehen letzte Woche. Während ausgiebigem SsS (Surfen statt Schreiben), merke ich, dass die Batterie meines Computers nicht mehr auflädt: nur noch 18% übrig. Umstecken – nichts. Stromschiene ein/aus – nichts. Ersatzkabel suchen – nichts. Wo ich eben noch die Arbeit verdrängte, herrscht ab sofort Panik. Hilfe, ich nun kann ich nicht mehr arbeiten. Mit den letzten Prozent Batterie überprüfe ich, was ich eigentlich schon weiss: der nächste Apple Store ist in Rancho Cucamonga. Was wie ein Ortsname klingt, den Kinder erfinden, gibts tatsächlich. Auch die Distanz ist leider nicht erfunden – über 80 Meilen von meinem Haus entfernt. Kurzes Abwägen von Alternativmöglichkeiten. Ich könnte zu Freunden fahren, die hoch über Pioneertown wohnen. 30 Meilen, Schnee, unwegsame Naturstrasse, Steckenbleiben. Bringt nichts, falls wirklich was Fundamentales falsch ist. Es ist fünf Uhr, der Laden ist bis neun Uhr offen. Computer und Stromkabel eingepackt und ab. Eineinhalb Stunden später stehe ich im Laden. Ob ich online einen Termin abgemacht habe, fragt der Apple Genius Justin. Nein, sage ich, mit unterdrückter Hysterie, das sei ja eben das Problem – ich bin soeben achzig Meilen hierher gefahren. Genius Justin erbarmt sich auch ohne Termin. Er steckt mein Kabel ein, das Lämpchen leuchtet, der Computer lädt auf. Kein fauler Zauber, sagt er und hält zum Beweis seine Hände in die Luft. Ich verstehe rein gar nichts, schliesslich bin ich computertechnisch nicht ungeschickt. Ich fahre die 80 Meilen zurück zur Schreibvermeidung und siniere über den Preis nach, den ich für die Abgeschiedenheit zahle, die ich sonst grossartig finde. Und den Anfang von Grey’s Anatomy habe ich erst noch verpasst.

Erwachsen


Little Dan ist der Sohn meiner Nachbarn. Er ist 23. Das sind sieben Jahre über das Alter, in dem man in den USA Autofahren lernen darf. Seit ein paar Wochen hat Little Dan seinen Führerschein. So lange nicht fahren zu dürfen, hat Little Dan gewurmt, um hier mal mit einer massiven Untertreibung einen Kraftausdruck abzuwenden. Seine Eltern fanden, er sei nicht reif genug zum Fahren. Little Dan hat die Schule früh geschmissen. Arbeit hat er keine gefunden. So lebt er in einem Wohnwagen auf dem Land der Eltern und hilft seiner Mutter, mit dem Ice Cream Truck durch die Wüste zu kutschieren und Eis zu verkaufen. So verdient er sich Zigarettengeld. Ab und zu reichts für ein Computerspiel. Seinem Vater hilft er, Autos zu reparieren. Das interessiert ihn und er würde es auch ohne finanziellen Zustupf machen. Mir hilft Little Dan ebenfalls. Er schaut zu meinen Hunden, wenn ich nicht da bin (und überfüttert sie), macht Gartenarbeit, die mir zu schwer ist, und er kommt und entsorgt tote Hasen, wenn ich ihn in Panik anrufe, weil meine Hunde ausnahmsweise mal einen erwischen. Tote Hasen zusammenwischen – da hört meine Naturliebe auf. Natürlich bezahle ich Little Dan für seine Hilfe – ich bin seine einzige ausserfamiliäre Einkommensquelle. Manchmal fragt er, ob ich nicht mal wieder eine längere Reise unternehmen wolle. Nicht weil er mich nicht mag, sondern weil er Geld braucht. Seit kurzem mag er mich noch viel mehr. Ich habe ihm vorgeschlagen, ihm meinen alten Pickup Truck zu geben und ihn den abarbeiten zu lassen. Er konnte sein Glück kaum fassen. Auf ein Auto zu sparen, wenns keine Arbeit gibt, ist entmutigend. Eins zu kriegen und es abzuarbeiten, hat Little Dan mit einem Schlag erwachsen werden lassen. Prüfung- und Versicherungsanmeldung – alles plötzlich kein Problem. Der Truck ist kaum wiederzuerkennen. Da wird pausenlos geschraubt, geputzt und gewachst. A truck makes a man, I guess.

Saturday, January 30, 2010

Sand unter


Der Dachdecker ist mein neuster bester Freund. Das dachte ich wenigstens, als er vor dem grossen Sturm angefahren kam, mit einer grossen Silikonpistole aufs Dach stieg und das Gröbste richtete. Regenstürme waren vorausgesagt worden und die TV Wetterfrösche zu Hochform aufgelaufen. El Ninjo, soviel Regen wie noch nie, Tornadowarnungen, blahblahblah, wird nur halb so wild sein, dachte ich, aber ich lass das problematische Dach sicherheitshalber mal anschauen. Falls es hält, schicken Sie mir einen Check über 150 Dollar. Ansonsten komm ich wieder. Dann kam alles so wie vorausgesagt und schlimmer. Zwei Tagen Dauerregen hielt das Dach besser stand als die Sandstrasse, die zu meinem Haus führt. Sie floss schlicht und einfach davon. Während einer kurzen Regenpause am dritten Tag fuhr ich zum Grosseinkauf und war froh, in meiner Strasse, sprich Bachbett, nicht steckenzubleiben. Danach gings erst richtig los. Im Berg hinter dem Haus formte sich ein lauter Wasserfall, den ich gern für Sie fotografiert hätte, wenn ich mich nicht gefürchtet hätte, entweder überspült oder von sich plötzlich lösenden Steinen überrollt zu werden – eine Angst, die nicht unbegründet ist. Vor ein paar Jahren hat man während monsoonartiger Regenfälle ein Auto mitsamt toter Insassen zwanzig Meilen weiter weg gefunden – weggespült von einem reissenden Bach, auch Flashfloods genannt. Das Schöne am vielen Wasser wird in ein paar Monaten zum Vorschein kommen – prachtvolle Wildblumenteppiche in allen Farben. Das weniger Schöne etwas später: die ausgetrockneten Wildblumenteppiche liefern dort, wo sonst nur Sand ist, den gefrässigen Feuern ihr Futter, sprich Lauffeuer. Nach einer Woche Extremwetter in Südkalifornien ist jetzt gerade alles so sonnig wie es sich gehört. Aber der Dachdecker, der ist nicht mehr mein Freund. Riesige, wüste gelbe Flecken an meiner Wohnzimmerdecke zeugen von unserem Break-up. Scheiss Silikonpistole...

Wednesday, January 20, 2010

Zugespitzt


Krieg in Wonder Valley - dabei hätte doch alles so friedlich bleiben können, wie es mal gedacht war im Tal östlich von Twentynine Palms, wo Kojoten und Hasen sich Gutenacht sagen und Echsen und Schildkröten durch den heissen Sand schleichen. Aber da wühlt sich noch was anderes durch den Sand in Wonder Valley, welches offiziell zu Twentynine Palms gehört, aber infolge eines ausgeprägten Lokalpatriotismus separat genannt sein will. Es sind die Sandtöffs, welche die Natur mitsamt vieler der weitverstreuten Einwohner von Wonder Valley in Aufruhr bringen. Sandtöffs heissen natürlich nicht Sandtöffs, aber das gefällt mir, weil es gut mit Töfflibueb geht. Es sind aber nicht nur Jugendliche, welche hier mit Töfflibuebe-Mentalität ausgestattet sind, dem Geisteszustand (sofern das Wort Geist hier angebracht ist), der sich durch den Mix von Dümmlichkeit und Leichtsinn zwecks kurzfristigem und vermeintlichem Gewinn an Grösse und Wichtigkeit auszeichnet. Der Widerstand gegen die Off-Roaders ist in den letzten Jahren immer grösser geworden. Und offizieller: Off-Roaders dürfen nun nur noch auf bestehenden Sandstrassen gefahren werden – und fast alle Strassen in Wonder Valley sind Sandstrassen – nicht mehr in der offenen Wüste. Aber natürlich ist es die offene Wüste, welche den Off-Roadern ihr Freiheitsgefühl verleiht, darum hat man ihnen einen immerhin 700km2 grossen Sandkasten in Johnson Valley zugestanden, in dem sie nach Belieben spielen dürfen. Die übrigen 13 000km2 Wüste, für welche das Bureau of Land Management in Bastow zuständig ist, werden von sieben Rangern patroulliert, und Meldungen über Übertritte werden immer häufiger. Die eine Seite sieht in jeder Pneuspur den Untergang, die andere beschwert sich über die Wüstenutopisten und ihren Naturschutz. “Wir verlieren die Wüste und werden nun in diese kleinen Reservate gesteckt”, sagt ein Off-Roader, “wir fühlen uns langsam wie Indianer.” Lachhaft…