Thursday, March 27, 2008

Rollenspiele


Letzten Sommer ist meine Freundin Melanie angestellt worden, für ein paar Tage verrückt zu spielen. Oder verwundet. Oder sich mit ihrem supponierten Vater zu verstecken. Der Auftraggeber war ein Freund von ihr, ein Theaterdirektor, der wiederum von einer Zulieferfirma des Militärs angestellt worden war. Der Schauplatz lag irgendwo in der Mojave in den Ruinen rund um eine verlassene Silbermine. Wo genau darf sie mir nicht sagen. Für fünf Tage hat sie sich verpflichtet. Nach zwei Tagen mochte sie nicht mehr verrückt spielen, um Soldaten für den Ernstfall vorzubereiten. Nach zwei Tagen mochte sie auch nicht mehr als Verwundete geschminkt im Sand liegen. Es ist verdammt heiss in der Mojave im August. Etwa zweihundert Leute versuchten sich als irakische oder afghanische Zivilisten, die wenigsten von ihnen Schauspieler. Es gibt keine zweihundert Schauspieler hier draussen. Und um die vielen arbeitslosen Schauspieler von Los Angeles herzuschaffen, dazu reichte wohl das Budget nicht. Also nahm man, wen man kriegte, Junkies, Outlaws, amerikanische Kurden, die durch ein Inserat in ihrer Zeitung auf den Job aufmerksam wurden, und eben Melanie. Ihre Anweisungen waren minimal: Du bist verrückt, verhalte dich irrational, fall nicht aus der Rolle, sprich nicht Englisch sondern ein Kauderwelsch. Du kannst tun, was du willst. Sie bekam Schwämme, die als Steine gecastet worden waren. Mit denen sollte sie die Soldaten attackieren. Sie schmiss ein paar Schwämme. Sie ging mit andern zusammen auf die Militärfahrzeuge zu und begann, sie auseinander zu nehmen, Teile abzubrechen. Als die Soldaten ausstiegen, machte sie dasselbe mit ihren Tarnanzügen. Melanie ist heute noch erstaunt, wie wenig die jungen Soldaten, die meisten wahrscheinlich ganz neu im Training, mit der Situation umgehen konnten. Treten Sie zurück, treten Sie zurück, treten Sie zurück, ist alles, was ihnen eingefallen ist. Im Training.

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