Saturday, September 29, 2007

Der Reigen


Und plötzlich ist da diese Möglichkeit, durch befreundete Filmer in ein Haus eines der grossen Architekten der Moderne reinzukommen. (Name von der Kolumnistin zurückgehalten – Grund folgt). Da wird die alte Dame interviewt, die das Haus seinerzeit gebaut hat. Sie ist äusserst nett, distinguiert und eben alt und hat darum etwas länger, sich auszudrücken. Wie sie den Architekten gefunden hat, wie sie mitgeholfen hat, das Haus mit ihren eigenen Händen zu bauen, dass es Spass gemacht hat, darin mit Freunden zu musizieren, erzählt sie. Oder besser gesagt, will sie erzählen. Ihre Tochter unterbricht sie die ganze Zeit lauthals und drängt sie, schneller zu sprechen. Sag jetzt dies, Mom, sag jetzt das, Mom. Du willst doch eigentlich sagen, dass, Mom… Bis die Mutter überhaupt nichts mehr sagt und stumm in einer Ecke zusammensinkt. Ich befürchte, es würde unhöflich erscheinen, wenn ich die Tochter jetzt erwürgte und lasse es bleiben. Aber es kommt schlimmer. Die laute Tochter hat den Filmemachern, wahrscheinlich gegen Zutritt zum Haus, eine Szene abgerungen, in der sie mit zwei andern Tänzern durchs Wohnzimmer tanzt. Es handelt sich wohlverstanden um einen Dokumentarfilm über besagten Architekten. Sie habe ihren Körper schon als Kind als Instrument verstanden, hat sie vorhin eingeworfen, als die Mutter vom Klavierspielen erzählt hat – in einem missglückten Versuch, der Mutter vor der Sonne zu stehen. Mir schwant Böses. Dieses plumpe Debakel kann ich mir nicht antun. Ich verabschiede mich überstürzt, was die Tochter mit Enttäuschen quittiert. Dann sehen Sie ja den Tanz nicht, sagt sie. Eben, denke ich. Draussen sehe ich die Kostüme der Tänzer und gratuliere mir zu meinem unfreundlichen Abgang. Ihm fehlten die Worte, um die Szene zu beschreiben, sagt der Produzent am nächsten Tag, gefolgt von: Film kann man schneiden. Und die Moral von der Geschicht: Moderne schützt vor Torheit nicht.

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