Thursday, April 26, 2007

Tapetenwechsel


Tapetenwechsel ist unser Geschäft. Jedenfalls, wenn man den vielen Artikeln und Führern glauben darf, welche die Gegend rum um den Joshua Tree National Park als idealen Fluchtpunkt darstellen. Flucht vor Alltag, vor Verkehrschaos, vor überfüllten Agenden, verlorenen Lieben und Enge-Gefühlen – räumlichen und mentalen. Was immer man hinter sich lassen will – die karge Landschaft der Mojave präsentiert sich als Versprechen und als neu bespielbare Bühne für alternative Lebensentwürfe voller Freiheiten. Und sei es nur für ein Wochenende. Ein hyperaktives obendrein, denn die Checkliste von Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten, die es zu absolvieren gilt, lässt kaum Zeit zu der Kontemplation, die in den besagten Artikeln ebenfalls angepriesen wird. Die New York Times berichtet ungefähr im Sechsmonatsrhythmus über die Gegend und das detailliert. Und auch die kalifornischen Medien lassen unsern Heiligenschein regelmässig hell erleuchten. Da wird keine der runden Felsformationen und kein Creosote Busch ausgelassen, kein Coyote bleibt unbeschrieben und das Erforschen jeder schrägen Legende wird zur Nachahmung empfohlen. Hier muss in Westernbars Billiard gespielt und die Indie-Rocker-Szene in der Bar im Nirgendwo eingetrunken werden. Und wer nachts den Kopf noch heben mag, muss sich im unvergleichlichen Sternenfirmament der mondlosen Nächte verlieren. Ich mache schliesslich nichts anderes mit dieser Kolumne. Achtunsechzig Wüstengeschichten habe ich bis jetzt an dieser Stelle geschrieben und bei Ihnen hoffentlich, falls Sie zu den regelmässigen Lesern gehören, den Eindruck hinterlassen, dass es hier was Interessantes zu holen gibt. Und tief in meinem Herzen weiss ich, dass Sie anders sind als die Leser der andern Schreiber, die inspiriert hierher kommen und dann doch nur tun, was sie zuhause auch tun - mit dem Blackberry in der Hand das Leben ausserhalb des kleinen Screens im Haaresbreite zu verpassen.

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