Wednesday, April 11, 2007

Die Tante in Amerika


Pünktlich zu Ostern verwandelt sich mein Haus in eine englische Kolonie. Wie jedes Jahr fliegen meine beiden Neffen aus London ein. Mit ihren Eltern, aber um die gehts hier nicht. Jordan (6) und Ashley (3) kommen gern in die Wüste – Amerika und die Wüste ist für sie das gleiche – es ist, wo ich bin. Ihr reines Oxford Englisch passt in den Wilden Westen wie die Faust aufs Auge und lässt sie besonders wohlerzogen wirken. Sie nennen ihr Nachtessen Tea wie in “can we have hamburgers for tea”. Und sie nennen ihr Dessert Pudding wie in “can we have ice cream for pudding”. Sie mögen ihren Toast gern ins Dreieck geschnitten und sogar wenn sie streiten, sind die beiden Britisch – “it’s unfair” lehrt der Grosse den Kleinen, als dieser ihm Spielzeugautos wegnimmt. Trotz allem unterteilt sich ihre Weltsicht immer noch in Goodies und Baddies – Gute und Schlechte – und das ist schliesslich so, wie wir im Wilden Westen die Welt auch sehen. Die nachgestellten Westernszenen im nahegelegenen Pioneertown, wo Pferdediebe und Sheriffs sich jeden Samstagnachmittag gegenseitig totschiessen, gefallen ihnen trotzdem nicht – die Schiesserei ist zu laut.
Die Boys lieben ihre Tante in Amerika. Sie wünschen sich, sie könnten immer in der Wüste leben, sagen sie. Und so sehr mir ihre Anhänglichkeit das Herz erwärmt – so sehr weiss ich auch, dass sie zu einem nicht unwesentlichen Teil auf der Tatsache beruht, dass ich die beiden meinen Truck fahren lasse. Sie sitzen abwechslungsweise auf meinem Schoss: ich mache die Beinarbeit, sie steuern. Unsere Fahrten werden millimetergenau in zwei gleiche Teile halbiert, damit jeder exakt gleich lange fahren darf, wobei der Grössere dem Kleineren den Vortritt lässt, wenn er so einen interessanteren Abschnitt der Strecke für sich ergattern kann. So machen wir die Sandstrassen der Gegend unsicher und reiten in den Sonnenuntergang – gefolgt von einer dicken Staubwolke.

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