Tuesday, March 10, 2009

Magere Zeiten


Das ist nicht das Geschäftsschild meiner Nachbarin Sandy. Das ist eines, das ich irgendwo in Arizona fotografiert habe, weil ich alte Neons mag. Sandy hat kein Neon Schild für ihr Geschäft, sie hat einen Glacéwagen. Glacélastwagen könnte man auch sagen. Mit dem tuckert sie über die Sandstrassen hier oben und auf die Marinebasis und verkauft ihre Waren. Die Geschäfte laufen OK zur Zeit, sagt sie. Das Wetter ist mild und die Leute halten ihre Kinder mit billigen Vergnügen bei der Stange, wenn sie sich keine grösseren leisten können. Auch Sandy und ihr Mann können sich keine grösseren Vergnügen leisten, vor allem nicht das, was sie sich am meisten wünschen – dass sie von der Wüste wegziehen können. Danny möchte gern irgendwo in Iowa an einem See wohnen und fischen. Tja, mit dem Fischen gestaltet sich das hier in der Wüste tatsächlich eher schwierig. Aber mit dem Wegziehen auch, denn mittlerweile hat ihr bescheidenes Haus durch die Immobilienkrise so sehr an Wert verloren, dass man nirgendwo anders was für das Geld bekommt, wenn sich überhaupt ein Käufer für das Haus finden würde. Immerhin ist es abbezahlt. Da geht es Sandy und Danny besser als vielen. Nur darum kann so ein Glacé Business die dreiköpfige Familie über Wasser halten. Aber das hindert sie nicht, immer mal wieder zu betonen, dass sie die Wüste gar nicht mögen. Dass ich aus einem Land wie der Schweiz hergezogen bin, leuchtet ihnen nicht ein. Dass ich Kakteen liebe, ebenfalls nicht. Dass ich die Weite, das Fehlen von Grasgrün und das Licht liebe – “Liliane’s crazy” sagen sie liebevoll kopfschüttelnd. Dass es für sie sowas wie zuviel Sonne gibt und sie am hellheiteren Tag die dicken Vorhänge ziehen, will wiederum mir nicht in den Kopf – “Sandy and Danny are crazy” denke ich liebevoll und bin froh, dass sie nicht wegziehen können, weil sie gute Nachbarn sind und zu meinem Haus schauen, wenn ich mal nicht da bin. Verkehrte Welt.

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