Saturday, December 27, 2008

Finger weg


Alles hatte so gut angefangen letztes Jahr. Schon im Spätsommer war man sich einig gewesen, die Familienweihnacht findet dieses Mal in der Wüste statt. Das Wetter ist meist sonnig, das Haus gross, und die diversen Weihnachslichterketten sind seit einiger Zeit eh das ganze Jahr um den riesigen Kaktus vor dem Wohnzimmerfenster gewickelt geblieben. Einem mehrtägigen, gemütlichen Schlemmen auf diversen Flätz-Sofas stand nichts mehr im Wege. Ich war bereits ab Ende August weihnachtsbereit. Nur eine Bedingung wollten die Lieben erfüllt haben, bevor die Flüge gebucht wurden. Ich musste mich verpflichten, mit meinem digitalen Videorecorder alle TV Folgen von “House”, “Grey’s Anatomy”, “Brothers and Sisters” und eine ganze Saison “24” aufzuzeichnen, was ich geflissentlich erledigte. Was macht man nicht alles, dass die Lieben den Freunden zuhause den Speck durch den Mund zu ziehen konnten mit ihrem Vorabwissen. Um hier niemanden blosszustellen, sagen doch einfach – unglücklicherweise ist das technisch unbegabteste Familienmitglied zuerst angekommen. Und konnte trotz Verbot die Finger nicht vom digitalen Videorecorder lassen, als ich aus dem Haus ging. Nicht mal über meine Leiche dürfen die Europäer meine TV Fernbedienungen anfassen, ohne meinen Einführungskurs absolviert zu haben. Das System funktioniert dermassen anders hier und ist so schnell in den Sand zu fahren – ich spreche leider aus Erfahrung. Auch diesmal wieder. Die fein säuberlich aufgezeichneten Serien waren in der Weite der Mojave verschollen, als ich zurückkam – und die Familie auf sich selber zurückgeworfen. Statt in die Röhre zu gucken, musste geredet werden, statt zu flätzen, mussten lange Fussmäsche absolviert werden. Das war mindestens so komplex wie “Brothers and Sisters” und nur beinahe so spannend wie “24”. Trotzdem, wer meine Fernbedienungen anfasst, kriegts mit der einsamen Rächerin zu tun. Weihnachten hin oder her.

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