Thursday, November 6, 2008

Zeitreise


Ich hab keine Ahnung, warum dieses Bild mich fasziniert. Als ich es vor ein paar Jahren im Twentynine Palms Inn zum ersten Mal gesehen habe, war ich davon überzeugt, es bereits zu kennen. Aber meine Nachforschungen ergaben, dass das eine schiere Unmöglichkeit ist. Das Bild wurde 1975 hier lokal gemalt aufgrund eines Fotos aus dem Jahre 1969 – Jahrzehnte vor meinem ersten Besuch in Twentynine Palms also. Vielleicht widerspiegelt das Bild ja einfach mein verklärter Blick auf die siebziger Jahre im allgemeinen und auf die Wüste im speziellen. Filme wie Easy Rider und Zabriskie Point kommen mir in den Sinn, ohne die beiden qualitätsmässig vergleichen zu wollen. Aber sie haben den amerikanischen Westen mit seinen weiten Landschaften auf meiner Top-Ten Fernweh-Liste ziemlich weit nach oben katapultiert, obwohl ich damals noch mit dem Gedanken spielte, ohne Geld und per Autostopp von Basel nach Indien zu reisen. Diesem jugendlichen Leichtsinn hab ich glücklicherweise nicht nachgegeben. Dem mittelalterlichen Leichtsinn nach einem Leben in der Weite des Westens schon, und mit mehr Erfolg, als er der Reise einer Siebzehnjährigen allein unterwegs nach Indien je beschieden gewesen wäre. Und auch wenn ich mich selbstverständlich als eine der jungen Damen im Bild sehe, habe ich trotzdem bereits den halben Weg zur Frau in der gelben Jacke zurückgelegt. “Mrs. Camp’s Thanksgiving Day Party” ist der Titel des Bildes, gemalt von Dean MacKenzie, und ob es kunstgeschichtlich wertvoll ist, könnte mir egaler nicht sein. In diesem Umfeld hier wirkt das Bild übrigens nicht wie ein Siebzigerjahre Portrait, sondern brandaktuell. Alle diese Leute könnte man genauso gestylt heute hier antreffen. Der rechts aussen mit dem weissen Becher ist abgeschnitten mein Neffe Weston, der nun das etwas mulmige Gefühl hat, er schaue sich selber an in einem Bild von 1975. Und Weston ist gerade mal 25 Jahre alt.

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