Thursday, June 19, 2008

In Deckung


Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, Fliegen zu lernen. Eine einsame Gegend aus der Luft zu erkunden scheint mir romantisch. Wie Google Earth – aber richtig. Mit Wind im Haar und so. Oder noch besser mit einer dieser alten Leder Fliegermützen und einem weissen Seidenschal. Obwohl – den Wind zu spüren deutet wohl nicht auf besonders grosse Flugsicherheit hin. Entweder die Maschine ist steinalt und offen oder die Tür schliesst nicht richtig und man kann den Boden durch den Spalt sehen. Aber da denk ich nicht dran in meiner Phantasie. Sonst müsste ich ja noch in Betracht ziehen, dass mir so kleine Knattermaschinen Angst machen, nicht zu reden davon, wie speiübel es mir wird, wenn so ein Ding auch nur der geringsten Thermik ausgeliefert ist. Flugstunden sind billiger hier als in Europa, reibt mir Tucker Johns immer wieder unter die Nase. In Schweden kann sich das niemand leisten, sagt er absichtlich falsch, um mich mit der hier gängigen Verwechslung von Schweden und Schweiz zu ärgern. Er ist ein pensionierter Marine, ein Elitesoldat, der in Twentynine Palms hängengeblieben ist, Häuser verkauft und Flugstunden gibt. Da im Makler Business derzeit nichts läuft, versucht er, Leute zur Fliegerei zu nötigen. Tucker Johns ist mindestens siebzig und mit old-school Lässigkeit bewaffnet. Ich hab ihn noch nie ohne seine Westernstiefel gesehen, und seine Fliegerbrille scheint noch original aus den Siebzigern zu stammen. Ach komm, dann kannst du zum Mittagessen nach Cal-Nev-Ari fliegen, sagt er, da gibts ein Restaurant mit eigener Landebahn. Oder du kannst durch den Grand Canyon fliegen, bei Sonnenuntergang. Aber ich stelle mir vor, wie ich als schrullige Alte – Lichtjahre von jetzt – die Gegend so unsicher mache, dass die Leute in ihren Häusern die Köpfe einziehen und sagen, da kommt sie wieder, die verrückte Alte, alle in Deckung. Das finde ich vielleicht die romantischste Vorstellung von allen.

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