Friday, February 22, 2008

Mein Hörsaal


Genau an dieser Stelle habe ich auf einem langen Marsch mit meinem iPod im Ohr Quantenmechanik gelernt. Oder sagen wir, ansatzweise versucht zu verstehen, um was es gehen könnte. Das hat nicht wirklich funktioniert. Nicht weil die Vorlesung schlecht war, sondern weil mein Hirn für Physik nicht richtig verdrahtet ist. Und dort, hinten bei den Joshua Trees, eine Stunde geradeaus, habe ich mir eine Vorlesung der Uni UC Berkeley angehört über die Zukunft des Journalismus in einem Zeitalter, in dem Leser sich täglich dezimieren. Seit einigen Monaten gibt es etwas, was für mich zum Besten seit der Erfindung des Internets gehört, und das heisst iTunes U. Das U steht für University, und da kann man von vielen Top-Universitäten der USA Vorlesungen zu allen erdenklichen Studienrichtungen runterladen – für kein Geld, gratis, nichts. Yale, Harvard, Stanford, MIT, alle machen mit. Von “Genforschung: Du bist, was Du erbst” bis zu “Legasthenie und Kreativität – zwei Seiten derselben Medaille”, und von “Warum Zebras kein Magengeschwür kriegen” bis zu “Sex, Lügen und Theater – Shakespeare heute”. Was immer das Hirn begehrt und die Neugier kitzelt – es ist mit einem Click zugänglich. Das Angebot wird dauernd erweitert und wird laut vielen Zeitungsberichten enorm oft genutzt. Auch von Leuten, die noch nie einen Hörsaal von innen gesehen haben. Bei Lastwagenfahrern scheint die Uni im Ohr besonders beliebt zu sein. Sie büffeln Chemie, während sie Spielzeug aus China von Los Angeles nach New York fahren und machen sich über Frank Lloyd Wright schlau während sie Fertighäuser in den Mittleren Westen liefern. Ich mag die Vorlesungen auf langen Autofahrten ebenfalls. Aber am meisten mag ich sie auf langen Fussmärschen durch die Wüste. Da muss es eine Verbindung geben zwischen offenen Ohren und der weiten, offenen Landschaft. Ich hoffe nur, dass deren Kargheit nicht das Innere meines Schädels widerspiegelt.

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