Wednesday, August 8, 2007

Pioniergeist


“Es gibt so etwas wie ein zu langes Leben” hat Mary Colter mit 87 gesagt, ein Jahr vor ihrem Tod 1958. Damals ist eines der berühmten Hotels abgerissen und ein anderes geschlossen worden, welches die Architektin entlang der Santa Fe Bahnlinie gebaut hat, die den mittleren Westen mit Kalifornien verbindet. Die grosse Zeit der Bahnreisen war vorbei und das Hotel El Navajo in Gallup, New Mexico musste für eine Verbreiterung der Route 66 weichen. Dass gerade diese weitsichtige Pionierin im Glauben sterben musste, dass ihre Arbeit in Vergessenheit geraten würde, ist ungerecht. Noch heute sehen mehr Leute ihre Gebäude in einer Woche als diejenigen ihres Zeitgenossen Frank Lloyd Wright in einem Jahr. Sie wird erst jetzt wieder entdeckt, weil die Architekturgeschichte rund um die Architekturschulen im Osten geschrieben worden ist, und Mary Colter eigenständig im Südwesten gebaut hat. Man muss sich das vorstellen: Schon 1910, zehn Jahre vor dem Frauenstimmrecht, wird Mary Colter die Chefarchitektin von Fred Harvey, der alle Hotels, Restaurants und Shops entlang der Santa Fe Bahnlinie baut. Sie ist mit der kühnen Aufgabe beauftragt, grosse Gebäude zu den Naturwundern des Westens zu bringen. Und das hat sie getan, die zierliche und resolute Frau in Hosen und mit Stetson, eine kettenrauchende Perfektionistin. Allein am Grand Canyon hat sie acht Gebäude gebaut, eines davon, die Phantom Ranch Lodge unten im Canyon, wo jeder Stein mit Packeseln 9 Meilen nach unten transportiert werden musste. Der abgebildete Aussichtsturm, ein Souvenirkiosk, ist ganz an den Abgrund des Canyons gebaut. Er wirkt, als hätte er Jahrhunderte da gestanden, aber das perfekte Mauerwerk ist um einen Stahlrahmen gebaut. Für den dreistöckigen Innenraum hat Colter einen Hopi Künstler mit Wandmalereien beauftragt. Die Zusammenarbeit mit lokalen indianischen Künstlern hat sie immer wieder gesucht – auch bei ihrem liebsten Bau – dem Hotel La Posada in Winslow, Arizona. Es ist nun mit viel Liebe zum Detail restauriert worden. Die Perfektionistin würde sich freuen.

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