Saturday, December 27, 2008

Projektionsfläche


Die Mojave ist eine halbe Welt weit weg. Die Mojave ist riesig. Die Mojave ist ab vom Schuss. In der Mojave versandet jede Spur. So oder ähnlich müssen meine Freunde in der Schweiz denken, wenn sie sich mein Umfeld vorstellen – bewusst oder unbewusst. Und damit meine ich auch die Freunde, die mich schon viele Male besucht haben. Wie anders ist es zu erklären, dass sich hier draussen Geheimnisse ansammeln, Geheimnisse von geradezu radioaktiver Sprengkraft. Sie werden über die Satellitenschüssel auf meinem Dach in die Inbox meines Mailprogramms gebeamt. Sie werden über Nacht auf meinem Telefonbeantworter geparkt. Und nicht selten werden sie mir zwischen drei und fünf Uhr nachmittags meiner Zeit ins Ohr gesäuselt. Dann ist es in der Schweiz nach Mitternacht. Wen kann man dann noch anrufen mit brisanten Neuigkeiten ausser die Mojave. Der im Verlauf des Abends angetrunkene Alkoholpegel setzt die Hemmschwelle tief und macht die Zunge locker – der Mojave kann mans sagen. Das zählt nicht als Verletzung der Schweigepflicht. Du, heute hab ich sie geküsst und es war schrecklich. Du, jetzt hat doch der eine Affäre. Du, die Kuh hat ihre Geschäftspartner ausgebootet und alle Kunden mitgenommen. Du, dem X hats ausgehängt, der geht. Diese Gepflogenheiten meiner Freunde hier so offenzulegen, birgt keine Gefahr ausser der, dass Sie meine Freunde eines schludrigen Charakters bezichtigen mögen, womit Sie natürlich völlig unrecht hätten. Meine Lieben werden mich trotz allem weiterhin einweihen, denn was raus muss, muss raus. Da gibts nichts praktischeres als eine Freundin mitten in der Mojave und neun Stunden Zeitverschiebung. Die Mojave hört sich alles an. Die Mojave versteht. Die Mojave besänftigt. Und ab und zu macht der Mojavewind aus einer kleinen Windhose ein Orkan und lacht sich ins Fäustchen. Gut dass niemand weiss, dass der feine Mojavesand bis in die Schweiz getragen werden kann.

No comments: